© 2009 Reiner Wandler

Smarter Ingenieur oder eiserne Lady

Die Portugiesen können sich glücklich schätzen. Wenn Sie am 27. September zeitgleich mit den Deutschen an die Urnen gehen, haben sie tatsächlich die Wahl. Der Premierminister und Vorsitzende der Sozialistischen Partei (PS) José Sócrates und seine Herausfordererin Manuela Ferreira Leite von der konservativen Sozialdemokratischen Partei (PSD) liefern sich einen erbitterten Wahlkampf um Inhalte. Beide liegen in den Umfragen gleich auf. Wer letztendlich regiert, wird die Kampagne der kommenden Tage sowie die Bündnisfähigkeit mit kleineren Parteien nach dem Wahltag entscheiden. Eine große Koalition, wie sie so mancher Leitartikler gerne sähe, scheint eher unwahrscheinlich. Zu unterschiedlich sind die Programme angesichts der Wirtschaftskrise, die auch Portugal erfasst hat.

Portugal befindet sich seit 1993 in einem ständigen auf und ab. Das Land auf der iberischen Halbinsel kämpft permanent um die Einhaltung der Maastrichter Verschuldungskriterien. In der aktuellen Finanzkrise steigt das Defizit jetzt auf sechs Prozent, das Doppelte dessen, was Brüssel erlaubt. Das Wirtschaftswachstum beläuft sich 2009 auf minus 3,4 Prozent. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 9,1 Prozent, so hoch wie seit 1987 nicht mehr. Schuld daran ist der Rückgang des internen Konsums, des Tourismus und der Exporte ins benachbarte Spanien. Jetzt kommt auch noch die Bauwirtschaft und die schwache Industrie ins Stocken.

Keine Angst. Angie kandidiert nicht in Portugal. Die dortige CDU ist vielmehr ein Zusammenschluss aus Kommunisten und den Grünen. Foto: Rüdiger Rossig

Der seit 2005 mit absoluter Mehrheit regierende Sozialist Sócrates (52) legte Ende 2008 ein Konjunkturprogramm von 2,2 Milliarden Euro auf. Damit sollen Infrastrukturen modernisiert, das Schulsystem verbessert und erneuerbare Energien gefördert werden. Neben der Einführung einer Geburtenprämie und der Anhebung des Mindestlohnes habe seine Regierung “ 37.000 Unternehmen geholfen“, zieht der smarte Ingenieur auf seinen Wahlkampfveranstaltungen Bilanz. Er gibt sich modern, verteidigt das recht auf Abtreibung und die Homoehe. Es nutzt ihm nur wenig. In den vergangen Wochen sind seine Umfragewerte um knapp sechs Prozent gesunken.

Seine Herausfordererin Ferreira Leite (68), die einst unter dem heutigen EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Durão Barroso Finanzministerin war, redet viel traditionellen Werten, der Familie und vorallem von der Verschwendungssucht der Sozialisten. Die erste Frau an der Spitze einer großen portugiesischen Partei propagiert eine drastische Kürzung der öffentlichen Ausgaben. Die Steuern sollen gesenkt, ein Teil der Rentenkasse und Krankenhäuser privatisiert werden. Im Falle eines Wahlsiegs will Ferreira Leite, die von der heimischen Presse „eiserne Lady“ getauft wurde, gar Großprojekte wie den Ausbau des Flughafens in Lissabon und den Anschluss des Landes an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz via Spanien stoppen.

Der Hochgeschwindigkeitszug sei nur im Interesse der spanischen Wirtschaft wirft die Konservative Regierungschef Sócrates vor. „Ich mag es nicht, wenn sich die Spanier in unsere Politik einmischen. (…) Ich verteidige die Interessen unseres Landes. Und unsere Interessen gehen über alles“, entdeckt Ferreira Leite den Nationalismus als Wahlkampfthema. Was sie dabei verschweigt: Sie unterzeichnete einst selbst als Wirtschaftsministerin das Hochgeschwindigkeitsprojekt mit Spanien. Und an der Expansion spanischer Unternehmen in Portugal ist sie auch nicht ganz unbeteiligt. 2006 gehörte Ferreira Leite der Führungsetage der spanischen Großbank Santander an.

Vielen Portugiesen indes wollen vom antispanischen Ton nichts wissen. 40 Prozent sprachen sich in einer jüngsten Umfrage für einen Anschluss Portugals an Spanien aus.

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