© 2009 Reiner Wandler

Ehekrise

Endlich ist Sommer. So mancher in Spanien reibt sich die Hände. Das Geschäft läuft auf Hochtouren: bei den Strandbudenbesitzern, Kellnern, Reiseführern und … bei den Scheidungsanwälten. In Spanien ziehen jeden Tag 400 Paare vor den Kadi um ihrer unerträglich gewordenen Beziehung ein Ende zu setzen. Nach dem Sommerurlaub, im September, steigt die Zahl der Scheidungen um 30 Prozent. Im einst katholischsten Land Westeuropas, wo die Scheidung erst seit 1981 möglich ist, werden pro Jahr fast so viele Paare richterlich gelöst, wie das Standesamt und die Kirche zusammenführen.

Sommerzeit ist Schweigezeit aber auch Zeit zum Streiten. Immer mehr Paare haben sich nichts zu sagen. Und sie können sich nicht darüber einigen, wo die angeblich schönsten Wochen des Jahres verbracht werden sollen. Die Strände füllen sich mit Familien. Sie, mit den Kindern am Strand. Er, mit den Kumpels in der Bar um die Ecke, nachdem er früh morgens mit Sonnenschirm und Liegestühlen beladen einen Platz in der ersten Reihe gesichert hat.

Reisen im eigentlichen Sinne ist in Spanien nicht sehr verbreitet, und als Pärchen schon gar nicht. Eine Studie der online-Agentur Easy-Viajar ergibt, dass nur jede/r vierte ins Ausland reist. 95 Prozent geben unumwunden zu, dass der/ die LebenspartnerIn nicht die ideale Reisebegleitung ist. Die SpanierInnen bevorzugen Freunde oder enge Verwandte, oder fahren gleich ganz alleine. 20 Prozent der Männer und 10 Prozent der Frauen, die es ins Ausland zieht, tun dies. Die Zahl steigt Jahr für Jahr. Und wer die „halbe Orange“ – wie in Spanien die bessere Hälfte genannt wird – nicht abschütteln kann, versucht in größeren Gruppen zu verreisen.

Es herrscht eine tiefe Krise zwischen den Geschlechtern. Die Frauen haben nirgends so vom öffentlichen Leben Besitz genommen, wie im Nach-Franco-Spanien. Die iberischen Machos kommen mit dem neuen Selbstbewusstsein nicht zurecht. Dies zeigt sich auch im Freizeitverhalten. Frauen bevölkern Museen, Kunstaustellungen, Theater, Buchhandlungen, während sich die Männer in ihre Reservate, in Form von Fussballstadien und Kneipen, zurückziehen. 41 Prozent gibt unumwunden zu, am liebsten mit Freunden und 24,5 Prozent mit engen Verwandten loszuziehen, wenn der Durst an den Tresen führt. Nur 29 Prozent – beider Geschlechter – dulden dort Partner oder Partnerin.

Doch der ideale Saufkumpagne wäre – hier unterscheiden sich Männer und Frauen nicht – Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero. Dies ergibt die alljährliche Umfrage des spanischen Brauerreiverbandes. In einem Land, in dem die meisten wichtigen Geschäfte nicht etwa im Büro, sondern in der Eckkneipe bei Caña und Tapa verhandelt werden, versprechen sich die Befragten von einem Abend mit dem Regierungschef eine Lösung ihrer alltäglichen Sorgen.

Dem Problem mit der Partnerschaft hat sich der Sozialist bereits angenommen. Eines der ersten Gesetzte, die Zapatero nach seinem Wahlsieg vor fünf Jahren auf den Weg brachte, ermöglicht die „Express-Scheidung“ in nur vier Monaten. Es ist – sehr zum Leidwesen der Bischöfe – ein voller Erfolg. 23 Prozent der Paare mache davon innerhlab der ersten fünf Jahre ihrer Ehe Gebrauch. 43 Prozent füllen den Scheidungsantrag innerhalb der ersten zehn Jahre aus. Im September läuft der Server des Justizministeriums dann wieder heiß.

Was bisher geschah: