© 2009 Reiner Wandler

Zu Besuch in der Photovoltaik-Spitzenregion


Luis Recuero genießt den Ausblick. Durch die Fensterfront des Kontrollzentrums seines Solarparks in Huertas de Valdecarábanos‎ im Norden der spanischen Region Castilla – La Mancha kann er den Blick schweifen lassen soweit das Auge reicht. Das Gelände fällt Richtung Süden ab in einen breiten Einschnitt, den einer der Zuflüsse des Tajos in Jahrtausenden in die Meseta, die spanische Hochebene, gegraben hat. Am Horizont liegen die Berge von Toledo.

Doch heute hat Recuero, dessen Unternehmen Generalia über 1,6 MW verfügt, nur wenig Muse, um die Landschaft zu betrachten. Sein Interesse gilt dem Bildschirm, auf dem jedes einzelne der 160 auf selbst entwickelten Nachführsystemen montierten Module a 8,5 kW mittels einer hausgemachten Software angezeigt wird. Die Stromproduktion ist gering. Seit Tagen peitscht der Wind dicke Wolken über das Land. „Zum Glück ist dies die Ausnahme“, weiß Recuero. Die Region südlich von Spaniens Hauptstadt Madrid hat mittels Nachführsystem knapp 2000 produktive Sonnenstunden im Jahr. Bei festinstallierten Panels sind es immer noch rund 1.500 Stunden. Und dabei ist es nicht ganz so heiß wie in den weiter südlich gelegenen Regionen Andalusien oder Extremadurien. „Es weht meist ein leichtes Lüftchen. Das sind ideale Bedingungen für Photovoltaikanlagen“, bekräftigt Recuero, der zugleich regionaler Sprecher der Vereinigung der Photovoltaik-Industrie in Spanien (ASIF) ist.

Recuero ist einer der Pioniere der spanischen Solarbranche. Der 47-jährige Ingenieur arbeitete einst in der Atomindustrie. 2003 stieg er aus und gründete mit ein paar Freunden das Unternehmen Generalia. Neben dem Solarpark mit 1,36 MW in der Provinz von Toledo, an dem 113 Investoren beteiligt sind, unterhält das Unternehmen sieben Dachinstalationen mit insgesamt 200 KW. „Als wir anfingen, gab es in Castilla – La Mancha kaum Solarenergie“, erzählt er. Heute ist die Region Marktführer. 800 der über 3.300 in Spanien installierten MW befinden sich hier.

„Der Boom war spektakulär“, erzählt Recuero und legt Zahlen vor. Anfang 2007 waren gerade einmal 15 MW installiert. 150 MW lautete damals die Prognose für Ende 2008. In Wirklichkeit sollte diese Kapazität dann schon Ende 2007 installiert sein. Und zum Jahreswechsel 2008/2009 waren es dann besagte 800 MW. Die Vergütungen waren so lukrativ, dass die Branche alle Vorhersagen sprengte. Als die Regierung bekannt gab, dass September 2008 die Gesetzeslage geändert werden sollte, um das ihrer Ansicht nach zu schnelle Wachstum zu bremsen, brach eine regelrechte Hektik aus. Alle wollten noch unter die alte Vergütung fallen. Nicht nur in Castilla – La Mancha, überall in Spanien, wurde erst recht gebaut was das Zeug hielt.

Castilla – La Mancha rückte auf Platz 1 des spanischen Photovoltaik-Ranking. Hier steht unter anderem das größte Photovoltaik-Kraftwerk weltweit mit 60 MW. Es ging am 20. Juni 2008 in Olmedilla de Alarcón in der Provinz Cuenca ans Netz und wurde von der valencianischen Firma Nobesol errichtet. „Neben dem Klima zogen uns zwei weitere Faktoren in die Region“, erklärt Geschäftsführer Noel Belloch. Zum einen befindet sich in Olmedilla de Alarcón eine der vier größten Umspannstationen Spaniens. Zum anderen sei die Landesregierung von Castilla – La Mancha in Toledo sehr engagiert in Sachen erneuerbarer Energie.

„Jetzt nach dem Boom werden wir allerdings umdenken müssen“, erklärt Belloch. Schuld daran ist die neue gesetzliche Regelung. Es werden nur noch Lizenzen für 400 MW pro Jahr vergeben. 267 MW sollen auf Gebäuden und 133 MW auf freien Flächen installiert werden. Hinzu kommen zusätzliche 100 MW im laufenden und 60 MW im kommenden Jahr (2010) für Bodeninstallationen. Damit sollen Anlagen aufgefangen werden, die 2008 nicht mehr unter das alte Dekret fielen und seither auf eine Betriebsgenehmigung warten. Diese Kapazitäten lassen den Großinvestoren nur wenige Spielraum. Deshalb sucht Nobesol neue Märkte.

Nicht nur wegen der gesetzliche Wachstumsbeschränkung sondern auch wegen der stark ausgelasteten Stromnetze ist vielerorts nur noch wenig Platz für solche Großanlagen. Castilla – La Mancha ist da keine Ausnahme. „Wir gehen davon aus, dass nach dem Boom 2008 das Stromnetz höchsten noch 200 MW an Photovoltaik aufnehmen kann“, erklärt der Generaldirektor für Energie im Industrieministerium in der Landeshauptstadt Toledo, Benito Montiel. „Diese freien Kapazitäten befinde sich in den bevölkerungsreichen Gebieten.“ Da es dort keine großen Freiflächen gibt, kommen nur Dachinstallationen in Frage.

Anders als die Regierung in Madrid ist Montiel über das schnelle Wachstum der letzten Jahre zufrieden. Denn die Landesregierung von Castilla – La Mancha hat einen ehrgeizigen Plan. „Bis 2012 wollen wir den Konsum unserer Region an elektrischer Energie zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen speisen“, erklärt Montiel. Dank der Photovoltaik (800 MW) und der Windenergie (3.400 MW) deckt Castilla – La Mancha bereits heute 70 Prozent des Bedarfs mit regenerierbaren Quellen.

Doch eines stimmt Montiel nach dem Photovoltaik-Boom des vergangenen Jahres nachdenklich. Immer wieder werden Betrugsfälle bekannt und es gehen Gerüchte über mangelnde Panelqualität um. Ersteres hat die Landesregierung von Castilla – La Mancha überprüfen lassen. „Nachdem aus anderen Regionen bekannt wurde, dass so manche Anlage unter dem altern Gesetz gemeldet wurde, obwohl sie nicht fertig war, schickten wir unsere Inspektoren auf die 407 großen Solarparks unserer Region“, erklärt Montiel. Das Ergebnis war befriedigend. Nur bei sechs Anlagen seien Unregelmäßigkeiten festgestellt worden. „Doch worüber wir bisher noch nichts sagen können, ist über die Qualität der installierten Panels.“ Durch den Boom war der Panel-Markt im vergangenen Jahr regelrecht leergefegt. So mancher dürfte auf minderwertige Qualität aus Fernost zurückgegriffen haben. Wie stark sich das auf die Leistung der Solarparks auswirken wird, weiß bisher keiner zu sagen. „Um das zu analysieren, muss erst einmal ein Jahr vergehen“, erklärt Montiel.
(Gekürzter Text aus Neue Energie 5/09)

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