© 2009 Reiner Wandler

Arbeitslos weit weg von Zuhause

Alle wollen die Geschichte von Florin Gabriel Caba hören. Denn der 37-jährige Bauarbeiter ist gerade aus der Heimat zurück. Eine spanisches Unternehmen hatte ihn für eine Großbaustelle in Rumänien angeheuert. „1.000 Euro, Kost und Logis haben sie mir im ersten Monat bezahlt“, erzählt der Mann aus Transsylvanien. Aber eben nur den ersten Monat. „Am Ende des zweiten waren noch 200 Euro in der Lohntüte“, erklärt er den Umstehenden. Caba schmiss hin und kam vor drei Tagen wieder nach Alcalá de Henares unweit der spanischen Hauptstadt Madrid, wo er seit acht Jahren als Immigrant lebt.

Heute ist Sonntag. Während seine Frau und die beiden Kinder beim Gottesdienst in der orthodoxen Kirche sind, steht Caba mit Freunden und Bekannten vor der Kneipe nebenan. Das Thema ist wieder einmal die Krise. Über vier Millionen Menschen sind in Spanien arbeitslos, so viele wie sonst nirgends in der Europäischen Union. Am härtesten trifft es die Immigranten. „Als ich vor acht Jahren kam, war Spanien das Paradies“, erinnert sich Caba. Die Bauindustrie boomte. Überall gab es Arbeit. Keiner fragte nach der Arbeitserlaubnis, die für Rumänen eigentlich bis Januar 2009 Pflicht war.

Zu Zehntausenden kamen sie. 80.000 Rumänen leben heute allein rund um Madrid, 700.000 in ganz Spanien. Es entstanden Kirchengemeinden, Kulturvereine, Geschäfte und Kneipen. Drei kostenlose rumänischsprachige Wochenzeitungen erscheinen in Spanien. Die beiden großen Parteien, die sozialistische PSOE und die konservative Partido Popular, haben Rumänen aus der Region Madrid auf der Liste für die Europawahlen und das, obwohl viele ihre Stimme im Konsulat für die Politiker aus der Heimat abgeben werden.

„Anfangs verdienten wir sehr gut“, erinnert sich Caba. 1.200 Euro bar auf die Hand, ein durchaus üblicher Lohn. Zuletzt gab es mit viel Glück noch 800 Euro. Anfang 2009 kam der völlige Einbruch der Bauwirtschaft. Auch Caba wurde arbeitslos. „Ich bekomme kein Arbeitslosengeld mehr“, erzählt er. Jetzt, nach der Rückkehr aus Rumänien, weiß er nicht weiter. „Ich werde Arbeit suchen, egal was“, beteuert Caba, obwohl er weiß, dass dies so gut wie aussichtslos ist. Ein, zwei Monate noch reichen die Ersparnisse und das bisschen Geld, das seine Frau als Putzhilfe verdient. Dann wird es eng. Denn allein der Kredit für die Wohnung, die Familie Caba vor drei Jahren kaufte, schluckt über 700 Euro im Monat.

Bei seinem Freund und ehemaligen Arbeitskollegen Civiu Herman sieht es nicht viel besser aus. Der 52-Jährige bekommt seit einem Monat keine Stütze mehr. „Ich habe mich als Selbstständiger eingetragen und suche überall nach Arbeit“, erklärt der Spezialist für Aluminiumverkleidungen. Doch wo nicht gebaut wird, gibt es auch nichts zu verkleiden. Herman sucht im Internet. „Deutschland, Dänemark, Schweden, Norwegen …“ heißen seine Traumziele. Nur nach Rumänien will er nicht zurück. „Dort sind die Preise so hoch wie hier. Und wer überhaupt Arbeit hat, verdient kaum etwas.“

„Deutschland wird nicht leicht. Sie haben doch noch immer Beschränkungen für Rumänen, oder?“ fällt ihm Gheorghe Gainar ins Wort. Der 49-jährige ehemalige Arbeiter einer Großbäckerei ist nach einer Nierentransplantation vor zwei Jahren Frührentner. Gainar steht dem Rumänischen Kulturverein in Alcalá vor. Nirgends in Spanien leben so viele Rumänen wie hier, 30 Kilometer östlich von Madrid. „Wir sind 19.000 bis 20.000“, sagt Gainar. Mit Sorge betrachtet er die rumänische Gemeinschaft. „Wie viele Rumänen Spanien verlassen haben, weiß ich nicht“, sagt Gainar, aber die Zahl müsse erheblich sein. „Bei den letzten beiden Eurovisionssendungen gab Spanien zehn und zwölf Punkte an Rumänien. Dieses Mal waren es nur noch sieben.“

Doch es gibt auch Erfolgsgeschichten. Ilias Zegrean ist einer von denen, die es geschafft haben. Der heute 52-jährige Dreher kam vor zehn Jahren aus Transsylvanien. „Ich arbeitete in einer staatlichen Waffenfabrik. Als die nach der Revolution 1990 verkauft und geschlossen wurde, kam ich nach Spanien“, erzählt der Vater dreier Kinder, die alle in Rumänien studiert und dort Arbeit gefunden haben.

Die spanische Industrie nahm die Rumänen gerne. „Wir sprechen eine lateinische Sprache und leben uns dadurch sehr schnell ein, und vor allem haben wir eine sehr gute Berufsausbildung“, sagt Zegrean. Kaum in Spanien, absolvierte er Zusatzkurse an computergesteuerten Drehbänken. Das rettet ihn jetzt in der Krise. Längst hat er sich für den Ruhestand ein Häuschen in seiner Heimat gebaut. Dennoch hat er sich mit seinem Schicksal als Immigrant nie abfinden können. Für ihn hat Europa die Schuld an der schlechten wirtschaftlichen Lage in seiner Heimat, die mehr als neun Millionen Rumänen ins Ausland getrieben hat. „Zuerst haben die großen Unternehmen alles in Rumänien aufgekauft und dann geschlossen, um Konkurrenz auszuschalten“, ist sich Zegrean sicher. „Und die Hilfe, die sie uns versprochen haben, lässt bis heute auf sich warten“, fügt er verbittert hinzu.

Was bisher geschah: