© 2009 Reiner Wandler

Der Luchs, das Kind und die Kriche

Was ist der Unterschied zwischen einem Luchs und einem Kind? Die spanische Kirche kennt die Antwort auf eine scheinbar sinnlose Frage. „Der Luchs geschützt. Und ich? Schütze mein Leben“, steht auf übergroßen Plakaten mit denen Spaniens Bischöfe Front gegen die geplante Reform des Abtreibungsgesetzes machen. Die Regierung des Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero will eine Fristenregelung einführen. Bisher ist in Spanien ein Abort nur nach einer Vergewaltigung (12 Wochen), bei Verdacht auf Missbildung des Embryos (22 Wochen) oder bei Gefahr für die körperliche und seelische Gesundheit der werdenden Mutter (ohne Begrenzung) zulässig.

1.300 Plakatwände in 37 spanischen Städten hat die Bischofskonferenz angemietet. Acht Millionen Flugblätter wurden gedruckt. „Wir wollen denen eine Stimme geben, die keine haben“, erklärt Bischof Juan Antonio Martínez, der Sprecher der spanischen katholischen Kirche. Das neue Abtreibungsgesetz sei „ein Gesetz des Stärkeren“. Kirchenkreise sammelten außerdem über 1.000 Unterschriften von Künstlern und Wissenschaftlern unter die sogenannten „Erklärung von Madrid“.

Die Kirchenoberen schließen Massenmobilisationen in den kommenden Wochen nicht aus. Die Bischöfe haben Erfahrung mit Demonstrationen. Als Zapatero vor fünf Jahren ein Gesetz erließ, das die die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern ermöglicht, mobilisierten sie Hunderttausende nach Madrid. Die konservative Partido Popular unterstützte damals wie heute die Kirchenkampagne. Die Debatte um die Reform des Abtreibungsgesetzes sei „unnötig“ und „spalte die Gesellschaft“, erklärte die Parteisprecherin Soraya Sanz de Santamaría.

Damit ist sie allerdings in der Minderheit. Umfragen zeigen, dass 64 Prozent der Spanierinnen das Vorhaben unterstützen. „Wollen die Bischöfe 112.000 Frauen in den Knast stecken, die jährlich in Spanien abtreiben?“ fragt die spanische Tageszeitung El País und bedauert eine totale Rechtsunsicherheit. Bisher geben die meisten Frauen als Begründung für einen Schwangerschaftsabbruch Gefahren für ihre psychische Gesundheit an. Denn eine soziale Indikation wie in anderen europäischen Ländern gibt es in Spanien nicht. Dies geht gut, solange die Behörden wegschauen. Doch in den vergangenen Jahren wurden immer wieder Privatkliniken geschlossen und Ärzte sowie Patientinnen vor Gericht gestellt, weil sie angeblich illegal abgetrieben haben sollen.

Die Regierung Zapatero möchte mit der Gesetzesreform, deren Entwurf von einem Expertenteam ausgearbeitet wurde, endlich Rechtssicherheit schaffen. Das neue Gesetz, das noch vor der Sommerpause dem Parlament vorgelegt werden soll, sieht eine Fristenregelung von 14 Wochen – ohne Begründung für die Entscheidung – vor. /Foto: Conferencia Episcopal Española

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