© 2008 Reiner Wandler

Der Schuldenberg

Wer an den Kiosk geht, bemerkt es sogleich. Spaniens größte Tageszeitung, El País und mit ihr der Medienkonzern Prisa, kämpfen gegen die Krise an. Das Blatt, das für die Demokratie nach dem Tod von Diktator Francisco Franco steht, wie kein zweites, ist so dünn, wie im Sommerloch. Der Grund: Seit Jahresbeginn verlor die Zeitung 20 Prozent der Werbeeinnahmen. El País wird damit 2008 wohl erstmals in ihrer 32-jährigen Geschichte rote Zahlen schreiben.

„Es wird an allen Ecken und Enden gespart“, beschwert sich ein Redakteur. 70 der über 1200 Beschäftigte wurden in den vergangenen Monaten in den Vorruhestand geschickt, darunter 20 Redakteure. Einzelne Abteilungen sollen ausgegliedert werden. Angeblich existiert eine Liste mit über 100 altgedienten Federn, die die Redaktion verlassen sollen. Darunter sollen sich selbst Startkolumnisten der ersten Stunde befinden. In der Redaktion selbst wird das Budget immer enger. Die Redakteure werden immer seltener auf Reisen geschickt. Von außen werden immer weniger Texte zugekauft. Und die Freien, die nach wie vor bei El País veröffentlichen, werden unter Druck gesetzt, damit sie einen Pauschalvertrag unterzeichnen. Die monatliche Summe liegt dabei weit unter dem, was sie bisher für ihre Artikel erhielten.

Wer sich im Hause umhört, bekommt ständig die gleichen Klagen zu hören: „El País ist die goldene Kuh, die vom gesamten Konzern gemolken wird.“ Anstatt sich auf das gut funktionierende Kerngeschäft – Zeitung, Radio und Verlage – zu konzentrieren, baute die Familie Polanco, der die El País und die Gruppe Prisa mehrheitlich gehört, ihre Präsenz im TV-Markt aus. Eine Serie von Fehlentscheidungen bringen Prisa jetzt in Schwierigkeiten. Der Konzern gestand bei der Aktionärsversammlung vergangenen Freitag 5 Milliarden Euro Schulden ein. Zudem verlor die Aktie des Konzerns, der in 24 Ländern aktiv ist, in diesem Jahr 80 Prozent ihres Wertes. Die Schulden übersteigen damit den Börsenwert von Prisa um ein Dreifaches.

Obwohl der Vorstandsvorsitzende bei Prisa und einstige Chefredakteur der El País, Juan Luis Cebrián, auch für dieses Jahr Gewinne des Gesamtkonzerns prophezeit, zwingt der Schuldenberg zu „Sparmaßnahmen“. Insgesamt sollen die Ausgaben um fünf Prozent gesenkt werden, „ohne die Qualität der Produkte zu beeinflussen“. Außerdem kündigt Cebrián weitere „Desinvestition“ an. Das bedeutet die Schließung und den Verkauf unrentabler Konzernzweige.

Als erstes trifft es Localia. Das Lokalfernsehen mit Niederlassungen in den meisten großen Städten Spaniens wird zum Jahresende schließen. „Zu wenig Werbung“, lautet die lapidare Begründung. 300 Mitarbeiter verlieren ihren Job. Prisa steigt ebenfalls bei mehreren spanischen Regionalzeitungen aus.

Doch der größte Brocken stellt die TV-Produktionsgesellschaft Sogecable dar. Sie ist Eigentümer des offenen Kanals Cuatro und des Pay-TV Digital+. Während der fünf Jahre alte Sender Cuatro langsam aber stetig in der Zuschauergunst steigt, stagniert Digital+ seit Jahren bei zwei Millionen Abonnenten. Das Pay-TV lebt hauptsächlich von den Fußballübertragungen. Doch in den letzten beiden Spielzeiten überträgt auch ein offener Konkurrenzsender Spitzenspiele. Dies ist ein herber Schlag für Digital+. Jetzt will Prisa das einstige Prestigeprojekt verkaufen.

Die spanische Telefongesellschaft Telefónica, die in den Anfangszeiten des Pay-TV eine eigene Plattform unterhielt, und der Eigentümer des französischen Canal+, Vivendi, scheinenan Digital+ interessiert zu sein. Doch wurden sie sich bisher mit Prisa über den Preis nicht einig. Prisa wolle 2,8 Milliarden Euro, heißt es in der Fachpresse. „Wird das jemand zahlen, wo doch der gesamte Prisa-Konzern nur 1,5 Milliarden wert ist?“, fragt sich die spanische Wirtschaftszeitung Negocios.

Was bisher geschah: