© 2008 Reiner Wandler

Der Teppich und der Dreck

Der spanische Starermittler Baltasar Garzón hat das Handtuch geschmissen. Er erklärte sich gestern selbst für „nicht zuständig“ in Sachen der spanischen Verschwundenen aus dem Bürgerkrieg und den Jahren der Repression danach. Die Hauptschuldigen, unter ihnen Diktator Francisco Franco, seien verstorben. Er könne deshalb nicht weiter ermitteln, erklärte Garzón. Zwar seien die Verbrechen nicht verjährt, doch die Zuständigkeit liege künftig bei den Gerichten, die den deutschen Oberlandesgerichten entsprechen. Dies ist ein herber Schlag für die Hinterbliebenen. Seit sie vor wenigen Wochen erreicht, dass Garzón das Verfahren akzeptiert, hofften sie auf eine umfangreiche Aufarbeitung der dunklen Geschichte. An den Regionalgerichten ist dies nicht gewährleistet.

Der Rückzug des Richters am spanischen, obersten Strafgerichtshof, der Audiencia Nacional, kommt nicht von ungefähr. Von Anfang an stemmte sich die Staatsanwaltschaft, die in Spanien dem Justizministerium und damit der Regierung des Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero untersteht, gegen die Ermittlungen. Ihr Kriterium: Anders als von Garzón gesehen, seien die standesrechtlichen Erschießungen keine Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sondern ganz normale , kriminelle Handlungen. Als solche fielen sie unter die nach dem Tod des Diktators erlassene Amnestie für politisch motivierte Straftaten. Die Mehrheit der Kollegen Garzóns an der Audiencia Nacional stellten sich auf die Seite der Staatsanwaltschaft. Hätte Garzón nicht den Rückzug angetreten, wäre er von der nächsten Plenarsitzung der Richter gestoppt worden. Sie hatte bereits die Öffnung von 25 Massengräbern, die Garzón anstrebte, unterbunden.

Es ist eine seltsame Einschätzung seitens der Mehrheit an der Audiencia Nacional, einem Gericht, dass sich sehr wohl für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Diktaturen in Chile und Argentinien zuständig fühlte. Auch in Spanien geht die Zahl der Opfer in die Zehntausende geht. Auch hier waren keine vereinzelten Morde, sondern eine systematische Säuberungswelle gegen alles was leal zur weggeputschten Demokratie stand. Selbst internationale Menschenrechtsorganisationen beschuldigen Spanien, die Vergangenheit nicht aufarbeiten zu wollen. Das dies ausgerechnet unter einer Regierung geschieht, die sich per Gesetz das Historische Gedenken auf die Fahne schreibt, verwundert nicht nur die Hinterbliebenen. Es ist ein Skandal. Zapatero scheint es einmal mehr um pressewirksame Gesetzespakete zu gehen. Wenn es allerdings konkret wird, macht er das gleiche wie all seine Vorgänger. Er lüpft den Teppich und kehrt den Dreck der Geschichte darunter./ Foto: www.presidencia.gov.ar/ Wikimedia Commons

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