© 2008 Reiner Wandler

Nachrichten aus der Krise

Die Krise schlägt den Spaniern auf den Magen. Die alte Hausfrauenkost ist plötzlich wieder in. Schluss mit Restaurants und Schluß mit feiner exotischer Küche, die in Spanien schon auf der anderen Seite der Pyrenäen beginnt. El garbanzo, die Kichererbse, und die Kroketten sind zurück. Die zweitgrößte, spanische Tageszeitung, El Mundo, widmete der schwerverdaulichen Hülsenfrucht aus der die Spanier ihren berühmten Eintopf, el cocido, und andere deftige Gerichte fabrizieren, ein ganzes Sonntagsmagazin. Auch andere Hülsenfrüchte, wie Linsen und Bohnen finden wieder immer öfter den Weg auf den Tisch.

Und die kostenlos verteilte 20minutos veröffentlichte eine Ode auf die Kroketten. Die spanischen croquetas sind nicht mit den fritierten französischen oder deutschen Kartoffelpureebällchen zu verwechseln. Sie haben die gleiche Form sind allerdings wesentlich größer und werden aus einer dicken Bechamelmasse gemacht, die ihren Geschmack durch zuvor völlig ausgekochtem Hühnerfleisch, Gambas oder ganz einfach Reste des Bratens vom Vortag erhalten. Wo Schmalhans Küchenmeister ist, büßt allerdings der Geschmack. Denn in Zeiten der Krise verbannen viele Spanier das so gesunde und aromatische Olivenöl und ersetzten es durch … richtig befürchtet … durch Sonnenblumenöl.

Von den sich wandelnden Essgewohnheiten wissen auch die Müllmänner zu berichten. Die Tonnen wiegen in den letzten Monaten knapp ein Zehntel weniger als normal. Denn je einfacher die Produkte, umso weniger Verpackungsmüll fällt an.

Auch die Wohnungseinrichtung leidet unter der Krise. Eines der unnötigsten Haushaltsgeräte hat Absatzprobleme. Es werden 40 Prozent weniger Wäschetrockner verkauft. Die Spanier erinnern sich plötzlich wieder an die gute alte Wäscheleine. Da es selten regnet und die Temperaturen fast das ganze Jahr über ihren Dienst tun, kommt die Wäsche wieder auf den Hinterhof. Vorbei sind die modernen Zeiten, in denen unnötig Strom verbraucht wurde.

Die Krankenhäuser haben plötzlich weniger zu tun. Wie bereits in den USA beobachtet, gehen jetzt auch in Spanien die Verkehrsunfälle zurück. Die Krise erreicht das, was weder durch ständig härtere Strafen und noch durch ein Punktesystem beim Führerschein gelang. Die Spanier fahren weniger und vor allem langsamer. Denn der Sprit ist teuer. Der Benezin- und Dieselkonsum ging rund 15 Prozent zurück und es werden kaum noch Neuwagen verkauft.

Selbst das Zwischenmenschliche scheint sich dank der Krise zu verändern. Immer weniger Paare lassen sich scheiden. Und das obwohl erst 2007 ein neues, schnelleres Scheidungsverfahren eingeführt wurde. Doch in Zeiten, in denen die Arbeitslosigkeit auf Rekordquoten steigt, ist eine Wohnung schon fast unbezahlbar, ganz zu schweigen von zweien. Als wäre dies nicht schon Strafe genug, muss das zerrüttete Paar jetzt auch noch enger zusammenrücken. Denn in den letzten Monaten kehrten ein Fünftel der Kids, die sich mühsam von Mama und Papa emanzipiert hatten, nach Hause zurück.

Nur ein Produkt erfreut sich eines ständig steigenden Absatzes: El pintalabios – der Lippenstift. Damit soll wohl die die Frustration übermalt werden. Und so manche möchte mit einem schönen Rot auch ihren Arbeitsplatzes sichern. Denn eine Statistik zeigt, dass attraktive Frauen leichter Arbeit finden bzw. später gekündigt werden, als ihre weniger hübschen Geschlechtsgenossinnen.

Was bisher geschah: