© 2008 Reiner Wandler

Harte Zeiten für Christen


Christ sein im muslimischen Algerien ist gefährlich. Seit vergangenen Mittwoch stehen zwei junge Männer, die vom Islam zum Protestantismus konvertiert sind, in Tissemsilt – 150 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Algier – vor Gericht. Ihr Vergehen: „Das Verteilen von Dokumente um den Glauben der Muslime zu schwächen.“ Die Rede ist von christlichen Büchern, die im Wagen der beiden gefunden wurden. Einer der beiden Angeklagten steht der kleinen evangelistischen Kirchengemeinde in Tissemsilt vor. Der andere besuchte regelmäßig die Messen.

Den beiden droht eine Strafe von bis zu fünf Jahren Haft und eine Million Dinar ( 11.000 Euro) Bußgeld – eine hohe Summe in einem Land, in dem ein Lehrer rund 130 Euro im Monat verdient. In Algerien ist „Missionstätigkeit“ für andere Religionen als den Islam verboten. So sieht es ein Gesetz vom Februar 2006 vor. Dort steht auch geschrieben, dass religiöse Veranstaltungen nur in dafür vorgesehenen und vom Innenministerium genehmigten Räumen abgehalten werden dürfen. Kirchenneubauten werden allerdings nicht genehmigt. Und die wenigen Gotteshäuser, die es im Land noch gibt, gehören der katholischen Kirche. Damit kommt diese Bestimmung einen völligen Verbot evangelistischer Tätigkeit gleich.

Genau dies wurde bereits Anfang des Monats vier weiteren Konvertierten zum Verhängnis. Sie wurden im Mai in Tiaret – 400 Kilometer westlich von Algier – verhaftet als sie eine Wohnung verließen. Sie sollen dort eine Messe abgehalten haben. Sie wurden zu Haftstrafen zwischen zwei und sechs Monaten und zu Bußgeldern in der Höhe von 1.000 bis 2.000 Euro verurteilt.

Die Welle der Christenverfolgung erreicht auch die Führungsebene der Evangelisten. Im Februar diesen Jahres wurde der ehemalige Vorsitzende der Methodisten in Algerien, der US-Amerikaner Hugh Johnes (74), nach 45 Jahren des Landes verweisen. Seinen Nachfolger, der Schweizer Pastor Ueli Senhauser, ereilte das gleiche Schicksal. Mittlerweile steht den Methodisten ein Konvertieter vor. Er kann zumindest nicht ausgewiesen werden.

„Die Repressionswelle ist die Antwort auf die ständig steigende Zahl von Konvertierungen in Algerien“, ist sich Kirchenmann Johnes sicher. Die Zahl der Neu-Evangelisten soll sich auf über 10.000 belaufen. Die muslimischen Würdenträger sehen darin eine Gefahr für Land und Islam. „Es handelt sich um eine neue Form der Kolonialisierung, die sich hinter der Religionsfreiheit versteckt“, erklärt der vom Staat ernannte Vorsitzende des Hohen Muslimischen Rates, Abou Amrane Cheikh.

Längst nicht alle Algerier sind damit einverstanden. Die großen französischsprachigen Tageszeitungen des Landes sehen in der Christenverfolgung eine „islamo-konservative Welle“. „So etwas hat es seit der Unabhängigkeit nicht gegeben“, protestiert die Zeitung El Watan. Besonders der Fall von Habiba Kouider sorgte in der Presse für Aufsehen. Die 37-jährige Frau wurde ebenfalls in Tiaret festgenommen, weil sie im Besitz von zehn Bibeln war. Der Staatsanwalt bot ihr einen Deal an. „Wenn du zum Islam zurückkehrst, stelle ich das Verfahren ein, wenn du weiter sündigst, wird dich das ganze Gewicht des Gesetztes treffen.“ Das Urteil steht noch aus.

Was bisher geschah: