© 2008 Reiner Wandler

Auf in Richtung Mitte

Madrids Bürgermeister Alberto Ruiz Gallerdón: Der Mann für den neuen Ton?

Wer gestern zur Mittagszeit an der Parteizentrale der spanischen Volkspartei (PP) im Zentrum Madrids vorbeikam, konnte sehen, wie tief die Konservativen in der Krise stecken, seit sie am vergangenen 9. März erneut die Wahlen verloren. „Verräter, Feiglinge, Rücktritt“, lauteten die Rufe mit denen hundert PP-Anhänger Parteichef Mariano Rajoy und den Madrider Bürgermeister Alberto Ruiz Gallardón empfingen. Gleichzeitig ließen sie María San Gil hochleben. Die Parteichefin im Baskenland war am Mittwoch von all ihren Ämtern zurückgetreten. Sie sei mit dem Projekt von Parteichef Rajoy nicht einverstanden, verkündete sie, und wurde so über Nacht zur Ikone derer, denen Rajoy zu gemäßigt ist.

„Ich werde auf keinen Fall das Handtuch hinwerfen“, beteuerte Rajoy gestern einmal mehr. Er will auf dem Parteitag Ende Juni abermals für das Amt des Parteivorsitzenden anzutreten, um es bei den nächsten Wahlen 2012 als PP-Kandidat ein drittes Mal zu versuchen.

Rajoy sieht sich als derjenige, dem es gelungen ist, die Partei in schweren Zeiten zusammenzuhalten. 2004, nur drei Tage nach den Anschlägen auf die Pendlerzüge in Madrid, verlor er zwar die Wahlen, jedoch ohne großen Stimmenverlust. Seinem sozialistischen Gegenspieler José Luis Rodríguez Zapatero gelang der Einzug in den Regierungspalast dank einer außerordentlich hohen Wahlbeteiligung. Im vergangenen März konnte Rajoy sogar 5 Abgeordnete hinzu gewinnen. Zwar reichte es wieder nicht zum Wahlsieg, aber es gab dem Galicier, der einst unter José María Aznar das Innenministerium inne hatte, Selbstsicherheit.

Jetzt macht PP-Chef Rajoy das, was er nach der Niederlage 2004 nicht konnte. Er ersetzt die alte, von Aznar geerbte Garde und führt die PP in Richtung Mitte. Rajoy ist sich sicher, dass nur so ein Wahlsieg möglich ist. Anders als in den vergangenen vier Jahren schlägt die PP im Parlament einen gemäßigteren Ton gegenüber den Sozialisten und auch gegenüber den Nationalisten im Baskenland und Katalonien an. Denn ohne sie, das weiß Rajoy, wird er nur schwerlich jemals regieren können.

Die Proteste angesichts des Richtungs- und Personalwechsels ließen nicht auf sich warten. Zuerst begann die Landesfürstin und Parteichefin der Region Madrid, Esperanza Aguirre, gegen Rajoy Front zu machen. Die Parteichefin im Baskenland San Gil folgte. Ihr Rücktritt löste eine Welle kritischer Stimmen aus. Als dann am Donnerstag auch noch eines der bekanntesten Entführungsopfer der baskischen ETA, der Gefängnisbeamte José Antonio Ortega Larra, sein Parteibuch zurückgab, kam es zu einer Welle der Entrüstung. „Im Parteivorstand läuft es nicht nur schlecht, sondern sehr schlecht“, reagierte Aguirre. Und Ex-Parteichef Aznar zeigte sich „zutiefst verärgert“.

Doch Rajoy läßt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er bastelt weiter an seinem neuen Team. Eine herausragende Stellung soll Madrids Bürgermeister Alberto Ruiz Gallardón einnehmen. Der Linksaußen in der PP ist laut Umfragen einer der beliebstesten Politiker Spaniens. Und das obwohl er nie etwas anderes als Landes- oder Kommunalpolitik gemacht hat. In der PP jedoch ist er bei vielen verhasst. Als Verräter am wahren Geist der spanischen Rechten gilt ihnen der Liberale, der wie kein anderer in der Lage ist, Stimmen in der Mitte zu mobilisieren.

Was bisher geschah: