© 2008 Reiner Wandler

Bouteflika auf immer und ewig

Algeriens herrschende Klasse möchte sicherstellen, dass sie weiterhin das Amt an der Staatsspitze besetzen kann. Seit Monaten verlangen Politiker der in der Regierung vertretenen Parteien und die ihnen nahe stehende Organisationen im staatlichen Radio und Fernsehen immer wieder eine Verfassungsreform, mit dem Ziel einer dritten Amtszeit für Präsident Abdelaziz Bouteflika. Der 71-Jährige sei der Einzige, der den wirtschaftlichen Aufschwung weiter vorantreiben und die Aussöhnung nach dem blutigen Bürgerkrieg der Neunzigerjahre garantieren könne, sagen die Politiker. Im April 2009 läuft die zweite und laut der seit 1996 gültigen Verfassung die letzte Amtszeit Bouteflikas ab.

Regierungschef Abdelaziz Belkhadem von der islamisch-konservativen Mehrheit der ehemaligen Einheitspartei FLN ist der wichtigste Verfechter der Idee einer dritten Amtszeit für seinen Ziehvater Bouteflika. Mit der Verfassungsreform soll neu auch das Amt eines Vizepräsidenten eingeführt werden. Belkhadem wäre dafür sicher der aussichtsreichste Anwärter.

«Mit einer solchen Verfassungsänderung kehren wir zurück zum Präsidenten auf Lebenszeit», sagen Intellektuelle und oppositionelle Politiker aus dem ganzen Land. Sie haben sich nun zur Plattform «Die Verfassung respektieren» zusammengeschlossen. Die Debatte um eine mögliche Wiederwahl lenke von den eigentlichen Problemen ab, sagen die Vertreter der Gruppe.

«Algerien ist zurzeit das Land der illegalen Emigration nach Europa, der steigenden Lebenshaltungskosten, der Arbeitslosigkeit und der Selbstmordattentäter», schreibt die Gruppe in einem Appell, den mittlerweile über 400 Personen unterzeichnet haben.

Seit seinem Amtsantritt 1999 hat Bouteflika das Land nach Jahren des bewaffneten Konflikts zwischen Islamisten und Staatsmacht zwar aus der internationalen Isolation geführt und durch eine höchst umstrittene Generalamnestie für ehemalige Terroristen und Angehörige der Sicherheitskräfte die Sicherheitslage relativ beruhigt. Doch das Land wird nach wie vor regelmässig von Terroranschlägen erschüttert. Die nach dem Aussöhnungsprozess im Untergrund verbliebenen bewaffneten Salafistengruppen haben in jüngster Zeit unter dem Namen «Al-Kaida im Maghreb» mehrmals die Verantwortung für blutige Anschläge übernommen.

Die Forderung nach einer dritten fünfjährigen Amtszeit führe zu «grotesken Szenen, die einen an Szenen in den Romanen von Gabriel Garcia Marquez erinnern», schrieb «El Watan», die wichtigste Zeitung des Landes. So wird beispielsweise einmal mehr der einstigen Kolonialmacht Frankreich die Schuld an den Problemen im Land zugeschoben: Bei der Amtszeitbeschränkung auf zwei mal fünf Jahre handle es sich um «eine Diktat des Imperialismus», sagte Parlamentspräsident Abdelaziz Ziari kürzlich. Dass die aktuelle Verfassung 1996 – über 30 Jahre nach der Unabhängigkeit – geschrieben wurde, verschwieg er dabei geflissentlich.

Bouteflika selbst hält sich bedeckt. Er wolle seine aktuelle Amtszeit erfolgreich zu Ende bringen, sagte er kürzlich in einem Interview. Gleichzeitig lobte er die Kampagne für eine neue Verfassung: «Dass sich Verbände und Parteien schon jetzt um die kommenden Wahlen kümmern, ist für mich ein Zeichen für das Interesse am politischen Leben der Bevölkerung und der politischen Klasse. Das ist der Beweis für eine politische Reife, die mich sehr freut.» Gesundheitlich sei er – nach einer grossen Operation, der er sich vor zwei Jahren in Frankreich unterzogen hat – wieder ganz auf der Höhe, sagt er.

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