© 2008 Reiner Wandler

Ein Text für die Hymne

Sport wird erst durch Singen so richtig schön. Zu dieser Überzeugung gelangte das spanische Nationale Olympische Komitee. Nur was singen, wenn die spanischen Sportler gewinnen? Die Frage war bisher nur schwer zu beantworten. Zwar hat das Land auf der iberischen Halbinsel mit dem Königlichen Marsch aus dem Jahre 1761 eine der ältsten Hmynen Europas. Doch leider hat sie keinen Text. Zumindest keinen offiziellen. Ein jetzt zu Ende gegangener Wettbewerb bei dem Hobbypoeten und Profis gerufen waren zu dichten, soll Abhilfe schaffen. Die aus Mitgliedern des Autorenverbandes, Uniprofessoren und Sportlern zusammengesetzte Jury wählte einen Text mit dem patriotischen Titel „Viva España!“. Der Künstler sei ein Mann, mehr wurde bisher nicht preisgegeben. Das soll am 21. Januar geschehen. Dann wird die neue Nationalhymne in einem großen madrider Saal vom Symphonieorchester der Region Madrid und dem Opernstar Placido Domingo Uraufgeführt.

Doch offiziell ist das neue Lied wieder nicht. Denn diesen Titel kann dem Text nur einer Verleihen: das spanische Parlament. Das olympische Komitee will deshalb eine halbe Million Unterschriften sammeln. Diese sind nötig, damit ein Gesetzesentwurf als Volksinitiative den Abgeordneten zur Abstimmung unterbreitet werden kann. Ob die Mehrheit im Parlament für einen Text ist, der die Geschichte Spaniens lobt und das Land hochleben lässt, ist mehr als zweifelhaft. Zwar sind die Konservativen für eine gesungene Hymne – und mehr noch, wenn er „Viva España“ kantiert. Doch die Nationalisten aus den verschiedenen Regionen sind dagegen und die mit ihrer Unterstützung in Minderheit regierenden Sozialisten haben sich bisher noch nicht geäußert.

Das Verhalten der Volksvertreter zeigt die ganze Crux mit Spanien, seiner Hymne und nationalen Symbolen. Für die Nationalisten im Baskenland, Katalonien und Galicien steht die Nationalmelodie und die rot-gelb-rote Fahne trotz einer Verfassung, die ihnen seit 1978 weitgehende Autonomierechte einräumt – für zentralstaatliche Gängelung. Die Linke des Landes fühlt sich beim „Nino, nino“ – wie sie die Nationalhymne abschätzig nennen – an die Diktatur von General Francisco Franco erinnert. Denn in der von ihm gestürzten demokratisch verfassten Republik erklang ein anderes Lied. „El Himno de Riego“ – geschrieben in Ehren an einen Oberst der spanischen Armee, der die ersten demokratischen Regierungen im 19. Jahrhundert unterstützte. Bis heute ist ihr „Libertad, Libertad, Libertad“ auf Demonstrationen und Festen zu höhren.

7.000 Texte wurden beim Wettbewerb eingereicht. Der madrider Liedermacher Joaquín Sabina – einer der bekanntesten des Landes – fordert die „Bürger“ zum Einsatz für Friede und Solidarität auf. Andere schrieben Oden an die Größe der Nation und des Spanischseins. Doch längst nicht alle Vorschläge waren so ernst gemeint. Dies zeigt ein Blick in Youtube. Die bekannten Radiokomiker Gomaespuma reihten kurzerhand allerlei Zutaten der vielgepriesenen mediterranen Diät, von Schinken über Chorizo bis zum Thunfisch aneinander.

Ein Immigrant versuchte sich auf Arabisch und verfremdete dazu die Melodie mit maurischen Klängen, was ihm rassistische Beschimpfungen im Internet einbrachte. Wieder andere gruben ganz einfach den inoffiziellen aber doch oft gesungen Text aus der Francozeit hervor und vertonten ihn neu. Viel von Arbeit, Ehre und Ruhm ist da die Rede. Als Gegenstück tauchte auch ein Text wieder auf, den Kinder in der Diktatur gerne trällerten. Darin wäscht Ariel das Hinterteil des Generalisimo nicht nur sauber sondern rein. Das originelleste Stück gelang dem nur wenig bekannten Musiker Rafa Corega. Als Rasta gekleidet lobt er in seinem Text ironisch alle Klischees die es über Südeuropäer gibt. Er singt von Siesta, Sauf- und Kiffgelagen, Sonne, Strand und Faulheit. (siehe Video am Anfang des Textes)

In Bars und Geschäften ist der neue „Viva España“- Text längst Grund zum Spott. „Wenn wir irgendwann einmal was gewinnen, dann ist immer noch Zeit die Hymne zu lernen“, ist eine weitverbreitete Meinung.

¡Viva España!
Cantemos todos juntos
con distinta voz
y un solo corazón.

¡Viva España!
Desde los verdes valles
al inmenso mar,
un himno de hermandad.

Ama a la Patria
pues sabe abrazar,
bajo su cielo azul,
pueblos en libertad.

Gloria a los hijos
que a la Historia dan
justicia y grandeza
democracia y paz.

Hoch lebe Spanien!
Singen wir alle gemeinsam
mit verschiedener Stimme
und einem Herzen.

Hoch lebe Spanien!
Von den grünen Tälern
bis zum großen Meer,
eine Hymne der Brüderlichkeit.

Liebe das Vaterland
denn es umarmt,
unter dem blauen Himmel,
Völker in Freiheit.

Ehre den Söhnen
die der Geschichte
Gerechtigkeit und Größe
Demokratie und Frieden geben.

Was bisher geschah: