© 2007 Reiner Wandler

Ein Don Quijote in jedem Spanier

Es muss ein Gen sein, das die Spanier zu kleinen Don Quijotes werden lässt. Wie sonst ist dieser rebellische Geist zu erklären. Egal was schief geht im Leben, unverzüglich wird eine Demonstration, ein Sit In oder sonst eine Protestaktion organisiert, auch wenn sie noch so aussichtslos erscheint.

Einer der spektakulärsten Fälle ereignete sich in Illescas, einem Dorf auf halbem Wege zwischen Madrid und Toledo. Ausgerechnet eine Beerdigung artete dort zum Protestmarsch aus. Der Bürgermeister hatte beschlossen den alten Friedhof zu schließen und einen neuen vor den Toren des Ortes einzurichten. Vielen Bürgern wollte dies nicht einleuchten. Unterschriften wurden gesammelt, Transparente aufgehängt, die Gerichte angerufen. Vergebens. Doch aufgeben? Niemals.

Als die Großmutter eines der Verantwortlichen der Bürgerinitiative zum Erhalt des alten Friedhofs starb, war es soweit. Die Trauergäste wappneten sich und zogen hinauf zum alten Gottesacker. Dort erwartete sie bereits die Polizei. Doch die Trauergemeinde ließ sich nicht abschrecken. Der Sarg wurde kurzerhand auf dem Dach eines Streifenwagens abgestellt. Die Frauen legten sich mit den Beamten an, während die Männer ein Polizeiauto, das den Eingang blockierte, weg wuchteten und das Tor eintraten. Die Großmutter wurde in Eigenarbeit in traditioneller, geweihter Erde begraben. Der Leichenschmaus in der Dorfkneipe wurde zur Siegesfeier der Bürgerinitiative.

Nicht nur auf dem Lande, auch in den Städten gibt es die Don Quijotes. Manche tragen gar Aktenkoffer, Krawatte und teure Anzüge. Wie die Gruppe von leitenden Angestellten, die 1991 während des damaligen Golfkrieges ohne lange zu fackeln eine Rollbahn des hauptstädtischen Flughafens Barajas besetzten. Der Grund: Die Bomber der US-Armee starteten von der benachbarten US-Airbase Torrejón ohne Unterlass. Für zivile Flüge war immer weniger Platz im engen Luftraum. Die Verspätungen wurden von Tag zu Tag unerträglicher. Die Herren im Anzug wollten eigentlich mit der Luftbrücke, einer Art Pendlerflug, nach Barcelona. Des Wartens müde, stürmten sie das Rollfeld. „Wenn wir nicht fliegen können, fliegt hier keiner“, war ihr Motto. Das Räumkommando der Polizei sah das freilich anders.

Doch die schönsten Windmühlen-Kämpfe ficht einer am Besten alleine aus. So ein Autokäufer aus der Kleinstadt Albacete, der mit seinem sauer verdienten Geld einen Mini erstand. „Erfüll dir einen Traum“, hieß der Werbeslogan für das Remake des wohl bekanntesten britischen Pkw. Doch nach drei Monaten wurde das Vehikel zum Alptraum. Eines Tages gab das schöne Fahrzeug – eine Spezialausführung – keinen Mucks mehr von sich. Die Vertragswerkstatt reparierte, aber bald schon tauchten neue Mängel auf. Nach kurzem Hin und Her war der Hersteller zwar bereit den vollen Kaufpreis zurück zu erstatten. Doch das erschien unserem Autonarren „unwürdig“. Er wollte einen Ersatz – genau das gleiche Modell. Sein Kampf begann. Der damals 32-Jährige montierte ein Schild aufs Dach: „Dieses Auto ist eine absolute Scheiße!“ stand dort zu lesen. Egal ob Großveranstaltungen, Autoausstellungen oder einfach auf belebten Straßen, überall sorgte er für Aufsehen. Gleichzeitig dokumentierte der moderne Ritter seine Abenteuer auf einer eigens eingerichteten Homepage: www.miminimierda.com (zu deutsch: mein Scheiß Mini).

Drei Jahre ging er dem Hersteller damit auf die Nerven. Dann gab es endlich ein neues Fahrzeug. „Ich bin ein kleiner Mann. Aber ich habe einen multinationalen Konzern in die Knie gezwungen“, zeigt sich der moderne Don Quijote angesichts seiner neuen, motorisierten Rosinante zufrieden.

Was bisher geschah: