© 2007 Reiner Wandler

Der Muff aus tausend Jahren

Spaniens Klerus schreibt Kirchengeschichte . Am kommenden Sonntag. dem 28.10.07, werden 498 spanische „Märtyrer des 20. Jahrhunderts“ bei der bisher größten Zeremonie dieser Art auf dem Petersplatz in Rom seliggesprochen. Sie alle sind Opfer „der größten Verfolgung von Gläubigen im vergangenen Jahrhundert“. Die Rede ist vom spanischen Bürgerkrieg. Doch die Seligsprechung, an der Papst Benedikt XVI und über 70 spanische Bischöfe teilnehmen werden, hat einen Schönheitsfehler: Alle Märtyrer stammen von einer Seite. Sie unterstützten den Putschisten und späteren Diktator General Francisco Franco und wurden von linken Milizen umgebracht, die die verfassungsmäßige Ordnung der Zweiten Republik verteidigten. Priester, die den Faschisten zum Opfer fielen, stehen nicht auf der langen Liste der Seligen.

Spaniens Bischöfe haben nichts gelernt. Die Seligsprechung beweist, dass die spanische katholische Kirche noch immer dort verhaftet ist, wo sie in der Franco-Diktatur stand: im „Nationalkatholizismus“. Auch wenn die Kirche Tausende von Märtyrern zu beklagen hat, macht sie das noch lange nicht selbst zum Opfer. Mögen die Bischöfe sie noch so gerne als solches hochstilisieren.

Spaniens Kirche, eine der reaktionärsten Europas, stand immer auf der Seite der Macht. Am Ende des Mittelalters sorgte sie für die religiöse Säuberung der Iberischen Halbinsel. Juden und Muslime, die jahrhundertelang friedlich mit den Christen zusammengelebt hatten, wurden vertrieben oder zum Christentum zwangsbekehrt. Nirgends wütete die Inquisition so wie in Spanien. Der Bürgerkrieg gegen die verfassungsmäßige Ordnung wurde zum Kreuzzug erklärt, die Diktatur wurde zum „Nationalkatholizismus“ und zur „spirituellen Reserve des Okzidents“. Ganze Generationen durchliefen die reaktionäre Erziehung der Pfaffen. Die Kirche billigte die erbarmungslose Repression der Franco-Diktatur.

In den Ausschreitungen gegen kirchliche Einrichtungen und deren Vertreter zu Beginn des Bürgerkrieges machte sich die jahrhundertelang aufgestaute Wut Luft. Über 10.000 Märtyrer zählen Spaniens Bischöfe. 6.832 zählen unabhängige Quellen. Der Seligsprechung vom Sonntag sollen schon bald weitere folgen. Über 2.000 Akten wurden bereits von den zuständigen Stellen vorbereitet.

Mit der Zeremonie am kommenden Sonntag zeigt Spaniens Amtskirche einmal mehr, dass sie auch 32 Jahre nach dem Tod von Diktator Francisco Franco nicht in der Demokratie angekommen ist. Die Bischöfe suchen gezielt den Streit. So ist das für die Seligsprechung ausgewählte Datum wohl kaum ein Zufall. Denn am 28. Oktober vor 25 Jahren gewannen in Spaniens junger Nach-Franco-Demokratie die Sozialisten erstmals die Wahlen. Und die Pressekonferenz, bei der die Bischöfe die Seligsprechung vorstellten, wurde an dem Tag abgehalten, an dem die sozialistische Regierung ein Gesetz zum „Historischen Gedenken“ ankündigte, mit dessen Hilfe die Opfer der Repression rehabilitiert und Franco-Denkmäler entsorgt werden sollen. „Das Gesetz reißt alte Wunden wieder auf“, beschwert sich die Bischofskonferenz. Die Seligsprechung hingegen sei „ein Fest des Glaubens, das sich gegen niemanden richtet“.

Alle Kräfte der spanischen Gesellschaft haben ihre Transición – ihren Übergang – hinter sich, nur die Bischöfe nicht. Bis heute werden Priester, die der Befreiungstheologie anhängen, ihres Amtes enthoben; Schwulen- und Frauenrechte sind ihr ein Dorn im Auge. Die Bischöfe reihen sich ein, wenn Spaniens Konservative zur Verteidigung der traditionellen Familie auf die Straße gehen. Und bei Prozessionen setzen sie sich in Szene, als wären wir im tiefsten Mittelalter. Wen wundert es da, dass die Messen in Spanien immer schlechter besucht sind. Einer solchen Kirche können die Gläubigen nur weglaufen.

Was bisher geschah: