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Abstimmung über Korruptionsgelder

Die „Hauptstadt der Korruption“ wurde Marbella an der Costa del Sol lange genannt. Jetzt stimmt die Bevölkerung des 140.000 Einwohner zählenden Luxusbadeortes an Spaniens südlicher Mittelmeerküste darüber ab, was mit den 15 Millionen Euro geschehen soll, die nach Gerichtsverfahren gegen ein Korruptionsnetzwerk zurück ins Stadtsäckel flossen. Insgesamt schlägt die Stadtverwaltung unter der konservativen Bürgermeisterin Ángeles Muñoz 20 Projekte vor. Von einem Altersheim über eine Bibliothek bis hin zum Umbau eines Sporthalle oder der Renovierung des städtischen Parks ist alles im Angebot. Etwas mehr als 12 Millionen Euro stammen aus Verfahren am spanischen Sondergerichtshof für Korruption und Terrorismus, der Audiencia Nacional in Madrid, der Rest vom Provinzgericht.

Die Abstimmung begann am 14. September auf der Internetseite der Stadtverwaltung, seit dieser Woche kann – wer keinen Zugang zum Internet hat – seine Stimme auch persönlich im Rathaus oder den Bezirksverwaltungen abgeben. Urnen und Web schließen am Wochenende. Kommende Woche dann, soll das Ergebnis bekannt gegeben werden. Die Abstimmung ist zwar rein rechtlich nicht verbindlich, aber der Stadtrat wird sich auf seiner kommenden Sitzung Mitte Oktober wohl kaum über das Ergebnis hinwegsetzten.

„Es geht um die Priorität der Projekte. Die, die nicht gewählt werden, werden später durchgeführt“, erklärt Bürgermeisterin Muñoz. Denn Marbella hat auch Immobilien und Luxusgüter im Wert von weiteren 15 Millionen Euro zugesprochen bekommen. Ein Teil soll von der Gemeinde genutzt werden. Was nicht dazu dienen kann – wie zum Beispiel Luxusvillen – wird versteigert.

Und weitere Gelder – bis hin zu einer Gesamtsumme von 300 Millionen Euro an Bussgeldern und Entschädigungszahlen – wurden in den Gerichtsurteilen, gegen die kein Widerspruch mehr eingelegt werden kann, bereits festgeschrieben. Die Zahlung steht allerdings noch aus.

Bürgermeisterin Muñoz hatte sich im der zweiten spanischen Parlamentskammer, dem Senat, dem sie angehört, dafür eingesetzt, dass Bußgelder und Entschädigungen ihrer Stadtverwaltung zu Gute kommen anstatt im Staatshaushalt zu verschwinden. Für den Haushalt des kommenden Jahres stellte sie bereits einen erneuten Antrag auf weitere Millionen.

Die Güter und Gelder stammen aus den unterschiedlichen Verfahren gegen knapp über 80 Beschuldigte, von denen mittlerweile über 30 rechtskräftig verurteilt sind. Unter ihnen befinden sich zwei ehemalige Bürgermeister Marbellas, Marisol Yagüe und Julian Muñoz, sowie dessen Lebenspartnerin, die bekannte spanische Schlagersängerin Isabel Pantoja. Die Verfahren, die 2007 begannen, waren die größten Gerichtsverhandlungen gegen ein Korruptionsnetzwerk in Spanien. „Plünderung 1“ und „Plünderung 2“ tauften die Ermittler zwei der Untersuchungen.

Alles begann mit dem ehemaligen Präsidenten des hauptstädtischen Fußballerstligisten Atlético de Madrid, dem Bauunternehmer Jesús Gil y Gil. Er gewann 1991 erstmals die Bürgermeisterwahlen in Marbella mit seiner eigenen Partei, der Unabhängigen Liberalen Gruppe (GIL). Das Netzwerk um die Formation, die bald auch in mehreren Nachbargemeinden regierte, bestach über die Parteigrenzen hinweg. Das Geld verdiente die mafiöse Struktur mit riesigen Bauprojekten, von Luxussiedlungen bis hin zu Yachthäfen. Wer kein Schmiergeld bezahlte, durfte sich keine Hoffnung auf Aufträge machen. Jede dritte Wohnung in Marbella wurde so errichtet. Jesús Gil y Gil verstarb 2004 im Alter von 71 Jahren, zwei Jahre vor den ersten Festnahmen. Die Chefs des Korruptionsnetzwerkes führten ein Leben, in Saus und Braus. Luxusvillen, teure Autos, edle Pferde gehörten zum Standard. Gil y Gil selbst gab Fernsehinterviews im Whirlpool, mit schwerem Schmuck behängt und umgeben von jungen Frauen im Bikini.

2006 ließ der damalige sozialistische Regierungschef Spaniens, José Luis Rodríguez Zapatero, die Gemeindeverwaltung Marbellas auflösen. Marbella wurde bis zu Neuwahlen unter die Verwaltung eines unabhängigen Gremiums gestellt. Marbella ist bei den Reichen und Mächtigen dieser Welt beliebt. Von saudi-arabischen Scheichs bis hin zu Michelle Obama füllen das Gästebuch.

Was bisher geschah: