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Valencia wartet auf die Aquarius

Valencia ist bereit. Die spanische Mittelmeermetropole wartet auf die Ankunft der Aquarius, sowie der beiden Begleitschiffe der italienischen Armee und Küstenwache. 629 Flüchtlinge befinden sich insgesamt an Bord, darunter 123 Minderjährige, 11 Babys und sechs schwangere Frauen. Die drei Schiffe werden für Samstag oder Sonntag erwartet.

„Sie werden zeitversetzt eintreffen“, erklärt die spanische Vizeregierungschefin, die Sozialistin Carmen Calvo, die sich vor Ort befindet. Damit soll eine bessere Erstversorgung gewährleistet werden. Die Operation mit dem Namen „Hoffnung Mittelmeer“ wird vom Roten Kreuz in Zusammenarbeit mit den Behörden und mehreren NGOs, sowie die katholische Kirche durchgeführt. Spanien hatte die Aufnahme der aus Seenot Geretteten angeboten, nachdem sich Malta und Italien weigerten die Aquarius einen ihrer Häfen anlaufen zu lassen.

Als Empfangsgebäude dient der ehemalige Sitz des Segelregatta America‘s Cup 2007. Die Helfer von „Ärzte ohne Grenzen“ an Bord der drei Schiffe übermittelte bereits das, was die stellvertretende Chefin der Regionalregierung in Valencia, Mónica Oltra, „Radiografie der Betroffenen“ nennt.

Nichts soll dem Zufall überlassen werden. Die Helfer im Hafen wissen genau, wer da kommt und was für Hilfe die Person braucht. Besonders Augenmerk gilt allein reisenden Frauen, die im Laufe ihrer Flucht Opfer sexueller Gewalt geworden sind, und den 123 Minderjährigen. Wenn sie ohne Eltern unterwegs sind, sollen sie in speziellen Heimen untergebracht werden. Über 400 freiwillige Helfer haben sich beim RotenKreuz gemeldet. 800 Fremdsprachenkundige boten spontan ihre Übersetzerdienste an. Auf den Schiffen befinden sich Menschen aus 26 Nationen.

„All das könnten wir nicht tun, wenn wir nicht eine Zivilgesellschaft hätten, die sich voll und ganz den humanitären Rechten verpflichtet fühlt und nicht möchte, dass unser Mittelmeer ein Massengrab wird, sondern die Treffpunkt der Kulturen und Völker, die es immer war“, erklärt Oltra, Politikerin dem linksalternativen Bündnisses Compromis, das gemeinsam mit den Sozialisten in Valencia regiert.

Die Überfahrt von Malta, wo die Aquarius bis zu letzt auf die Zuweisung eines Hafens wartete, nach Spanien ist alles andere als angenehm. Im zentralen Mittelmeer stürmt es mit bis zu 65 Stundenkilometern und die Wellen sind bis zu vier Meter hoch. Die medizinische Personal an Bord muss ständig Menschen versorgen, die stark seekrank sind. Um das Schlimmste zu vermeiden, haben die drei Schiffe ihre Route geändert. Statt direkt das Mittelmeer zu überqueren fuhren sie erst einmal im Windschatten der Ostküste Sardinien gegen Norden.

Es werde keine Sonderbehandlung für die 629 Flüchtlinge in Spanien geben, bekräftigte Innenminister Fernando Grande-Marlaska. „Wir werden genauso behandeln, als wären sie in kleinen Booten nach Spanien übergesetzt“, erklärte er in einem Radio-Interview. Das heisst, die Flüchtlinge der Aquarius können Asylanträge stellen, der dann überprüft wird. Wer dies nicht tut, kann aus humanitären Gründe auf Bleiberecht appellieren. Unbegleitet Minderjährigen dürfen bleiben, solange es nicht gelingt, ihre Familie ausfindig zu machen. Allerdings „wer die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllt, gegen den wird ein Abschiebeverfahren eröffnet“, beteuert der Minister.

Die spanische, sozialistische Regierung, die erst vor etwas mehr als zwei Wochen durch ein Misstrauensvotum an die Macht kam, weiß, das die Opposition das Flüchtlingsthema nutzt wird, um Stimmung zu machen. Es sei „eine humanitäre Ausnahme“, die nicht zum „Normalfall werden darf“, erklärt der Chef der rechtsliberalen Ciudadanos, Albert Rivera. Rajoys Konservative werden noch deutlicher: Die Öffnung der Häfen für die Einwanderung sei „sehr gefährlich“, erklärte ein Parteisprecher. Spanien dürfe kein „Schlupfloch“ werden.

„Wir können die Zahl der Personen, die wir aufnehmen erhöhen, um einfach nur das zu erfüllen, was wir abgemacht haben“, entgegnet Aussenminister Josep Borrell. Spanien stimmte unter der konservativen Vorgängerregierung 2015 am Höhepunkt der Flüchtlingskrise nach zähen Verhandlungen der Aufnahme von 17.387 Flüchtlingen zu, die aus anderen EU-Ländern umgesiedelt werden sollten. Ende März 2018 wurden gerade einmal 2.782 Flüchtlinge tatsächlich in Spanien aufgenommen.

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