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Politisch nicht korrekter Hauskauf

Dürfen Podemos- Politiker eine 600.000 Euro teure Vila kaufen? Diese Frage bewegt seit Ende vergangener Woche ganz Spanien und insbesondere die 5 Millionen Wähler der jungen, linksalternativen Partei sowie die knapp 500.000 für Urabstimmungen Eingeschriebenen.

Der Grund: Der 39-jährige Politikprofessor und Podemos-Generalsekretär Pablo Iglesias und seine Lebensgefährtin, die 30-jährige Podemos-Fraktionssprecherin Irene Montero, haben sich in einem Luxusvorort von Madrid ein 2352 m² großes Grundstück mit einem 268 m2 großen Haus sowie einem Gästehäuschen und einem Schwimmbecken gekauft. Dort wollen sie – in Ruhe vor dem Druck der Pressefotografen – ihre Zwillinge aufziehen, die in den kommenden Monaten zur Welt kommen werden.

Die beiden haben einen Kredit von 540.000 Euro auf 30 Jahre aufgenommen. Eine Menge Geld für zwei Politiker, die – so die Podemos-Regel – als Parlamentarier nur den dreifachen spanischen Mindestlohn von 825 Euro pro Monat verdienen. Iglesias hat ausserdem Einkünfte als Autor und als Produzent von Fernsehprogrammen.

Jetzt soll die Basis abstimmen, ob die beiden trotz Hauskauf weiterhin Podemos als Generalsekretär und Fraktionssprecherin vertreten können. Iglesias und Montero kündigten dies am Samstagabend auf einer Pressekonferenz an und machen so die Basis zum Komplizen einer unbeliebten Entscheidung.

Die Frage ist selbstverständlich nicht, wie und ob sich die beiden die monatliche Rate von 1.600 Euro leisten können. Es geht ums Prinzip und um die Glaubwürdigkeit der Partei. Podemos trat vor vier Jahren an, um die alte Politik zu beerdigen. Es war Iglesias, der dem ehemaligen, konservativen Wirtschaftsminister und jetzigen Mitglied im Vorstand der Europäischen Zentralbank, Luis de Guindos, einem teuren Wohnungskauf ankreidete. „Würdest Du die Wirtschaftspolitik des Landes jemandem anvertrauen der 600.000 Euro für eine Wohnung mit Dachterrasse ausgibt?“ fragte er auf Twitter.

Es waren die Jahre der Krise und der völligen Enttäuschung, ja Wut, über die Politiker. Die Empörtenbewegung prägte den Slogan „Nein, sie vertreten uns nicht“. Als Podemos 2015 ins Parlament einzog, riefen begeisterte Anhänger „Ja, sie vertreten uns“.

Podemos habe „die Emotionen eines Landes aus der häuslichen Intimität auf die Straße und dann ins Parlament getragen“, schreibt die bekannte Autorin Lucía Méndez. Iglesias habe jetzt eine „Sensorenpanne“ erlitten. „Du kannst deinen Abgeordneten keine Lohnbeschränkung auferlegen, damit sie sich nicht von den Bürgern entfernen und dann wie die privilegierten Minderheit zu leben“, schreibt Journalist Antonio Maestre.

Und aus den eigenen Reihen meldet sich der Bürgermeister von Cádiz, José María González, zu Wort: „Die Idee war, nicht wie die Kaste zu sein.“ Und die Bürgermeisterin von Barcelona Ada Colau würde „nie ein Haus, wie das von Iglesias und Montero, kaufen“.

Nur das enge Umfeld von Iglesias verteidigt dessen teuren Geschmack und schreibt die Debatte einer „Offensive der reaktionären Presse“ zu. „Verdammte Roten, die nicht unter Brücken schlafen“, twittert Parteimitbegründer und Politikprofessor Juan Carlos Monedero zynisch. Und der französische Linkspolitiker Jean-Luc Melonchón fordert die spanischen „Ungehorsamen“ auf, „an der Seite eurer Führer zu bleiben“.

Iglesias und Montero werden das Parteiplebiscit wohl kaum verlieren. Doch abgestraft werden sie sicher. Diejenigen, die auf dem letzten Kongress die ursprüngliche Parteilinie, die statt links und rechts, wie die Empörtenbewegung, zwischen oben und unten unterscheidet, verteidigten und unterlagen, erinnern sich nur zu gut, wie Iglesias und die Seinen ihre neue, der traditionellen Linken ähnelnde Linie durchdrückten. Der Flügel um Iglesias sei „die Arbeiterklasse“, die anderen rund um den Spitzenkandidaten in der Hauptstadtregion Madrid, Iñigo Errejón, „kleinbürgerlich“.

Was bisher geschah: