© 2018 Reiner Wandler

Spanischer Maulkorb

Es steht schlecht um die Meinungsfreiheit in Spanien. Polizei und Justiz verfolgen gezielt die Aktivitäten auf den sozialen Netzwerken. Daniel Cristián Serrano ist das letzte Opfer dieser Überwachung. Der 24-Jährige aus dem südspanischen Jaén wurde wegen „Verletzung religiöser Gefühle“ zu 480 Euro Geldstrafe verurteilt. Er hatte auf Instagram eine Fotomontage eingestellt. Das Bild zeigt die Christusstatue, die in der Osterwoche bei einer Prozession durch seine Heimatstadt getragen wird. Serrano hatte das Gesicht des Jesus durch sein eigenes ersetzt – Nasen-Piercing inklusive. „Eine schändliche Manipulation“, ist dies für die Staatsanwaltschaft, die die Ermittlungen aufnahm, nachdem die Bruderschaft, die die Prozession veranstaltet, Anzeige erstattet hatte. Mit dem Bussgeld kam Serrano noch glimpflich davon. Denn wäre es nach der Staatsanwaltschaft gegangen, hätte er 2160 Euro Strafe zahlen oder wahlweise 180 Tage absitzen müssen.

Andere trifft es härter. In den letzten vier Jahren wurden bei mehreren groß angelegten Polizeiaktionen mit dem Namen „Araña“ (Spinne) insgesamt 76 Menschen wegen ihrer Aktivität auf Twitter festgenommen, unter ihnen Musiker, Künstler, Journalisten und selbst Anwälte. Allen wird „Verherrlichung des Terrorismus“ und „Demütigung der Opfer“ vorgeworfen. Dabei reicht es, der letzten fünf unter der Franco-Diktatur Hingerichteten Häftlinge auf Twitter zu gedenken, Witze über den designierten Nachfolger des Diktators Francisco Franco zu machen, der 1973 von ETA ermordet wurde, die bewaffneten Aktionen der baskischen ETA und der marxistischen GRAPO gegen die Franco-Diktatur als „antifaschistischen Widerstand“ zu bezeichnen, oder als Dokumentarfilmer ehemalige Mitglieder dieser Organisationen zu interviewen und das Ergebnis im Netz zu veröffentlichen.

Das Rapp-Trio La Insurgencia wurde zu 2 Jahren und einem Tag Haft verurteilt, als sie die GRAPO als Antifaschisten bezeichneten. Genau ein Tag zu viel, als dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden könnte.

Der Rapper Pablo Hasel steht derzeit vor Gericht. Neben Verherrlichung des Terrorismus wird ihm „Verunglimpfung der Autoritäten“ vorgeworfen. Er bezeichnet auf Twitter die Polizei als „Mörder“ und „Söldner“, beschuldigt die paramilitärische Guardia Civil der Folter – wie das auch Menschenrechtsorganisationen immer wieder getan haben – und wirft ihnen vor, auf Immigranten zu schießen – was vor vier Jahren an der Grenze zu Marokko tatsächlich geschah.

Ausserdem beleidige Hasél in einem seiner Songs die Monarchie. Er spricht von Korruption, „einer mafiösen, mittelalterlichen Institution“ und beklagt, dass das Königshaus „Millionen bekommt, während kein Geld für die Grundbedürfnisse der Menschne da ist“. Sollte Hasél verurteilt werden drohen ihm bis zu vier Jahre und neun Monate Haft.

Grundlage für all diese Verfahren sind das Anti-Terrorgesetz sowie das Gesetz zur Sicherheit der Bürger, das in Spanien „Knebelgesetz“ genannt wird. Beides sind Werk der konservativen Regierung unter Mariano Rajoy.

„Unser Staat untersagt die Meinungsfreiheit bis zu dem Punkt, dass es sieben Straftatbestände gibt, die die Meinung unterdrücken“, beschwert sich die Anwältin Isabel Elba, die einen der betroffenen Musiker verteidigte. „Dabei geht es um die Verherrlichung eines Terrorismus, den es nicht mehr gibt“, beschwert sich der spanische Amnesty International Sprecher Estebán Beltrán. 2011, als ETA für immer die Waffen niederlegte, wurde fünf Beschuldigte wegen „Verherrlichung des Terrorismus“ verurteilt. 2017 waren es 23 und 2016 gar 38.

Was bisher geschah: