© 2017 Reiner Wandler

„Früher oder später wird es einen Dialog geben müssen.“

Interview mit dem Gründer der Initiative #Parlem #Hablamos (Sprechen wir) Guillermo Fernández, 32, Sozialwissenschaftler an der Universität Complutense Madrid. #Parlem #Hablamos mobilisierte am 7. Oktober Zehntausende in ganz Spanien für eine Dialoglösung des Katalonienkonflikts auf die Rathausplätze.

Sie haben einen offenen Brief an den spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy und den Chef der katalanischen Autonomieregierung Carles Puigdemont geschrieben, in dem sie die beiden zu einen Gespräch am kommenden Samstag, dem 28. Oktober laden. Ist das nicht ein bisschen illusorisch?

Wir glauben, dass die beiden endlich die Arbeit machen müssen, die sie bisher nicht gemacht haben. Wir machen es ihnen leicht, in dem wir das Treffen organisieren. Und wir mobilisieren auf diese Art auch die Bevölkerung, damit sie Druck auf Rajoy und Puigdemont ausübt. Wir hoffen, dass unser Brief viele Initiativen auslösen wird und dass die Menschen so einen Weg finden, ihre Sorgen und ihren Wunsch nach Dialog zum Ausdruck zu bringen.

Auf was könnten sich Rajoy und Puigdemont einigen, falls sie sich tatsächlich zusammensetzen sollten?

Als erstes müssten sie sich darauf verständigen, keine einseitigen Massnahmen mehr umzusetzen. Das heisst Rajoy müsste auf die Anwendung des Artikels 155 der spanischen Verfassung verzichten, mit dem er die Autonomie Kataloniens aufheben kann, und Puigdemont auf eine einseitige Unabhängigkeitserklärung. Das wäre der erste Schritt. Danach müsste dann Verhandlungen angesetzt werden, an denen alle Parteien teilnehmen.

Zu welchen Themen?

Dort könnte über ein neues territoriales Modell für Spanien geredet werden, aber auch über andere Reformen, die notwendig sind. Dort könnte auch ein erneutes Referendum über Katalonien ausgehandelt werden, das dann in beiderseitigem Einverständnis abgehalten wird. Es gibt mehrere Möglichkeiten, den Konflikt zu lösen, aber das geht nicht, solange sich beide Seiten auf ihre Position versteifen. Denn so verschärfen sich die Spannungen in der spanischen und vor allem in der katalanischen Gesellschaft nur weiter.

Und wenn es nicht zum Dialog kommt?

Dann geht diese Schachpartie weiter, in der jeder einseitig Maßnahmen beschließt und gleichzeitig versucht die internationale Meinung davon zu überzeugen, dass seine Position die richtige ist. Außerdem werden beide Seiten weiterhin ihre eigenen Interessen in den Vordergrund stellen. Und das sind nicht zuletzt wahltaktische Überlegungen. Ich glaube, dass die Zukunft Spaniens zu wichtig ist, um so behandelt zu werden.

In dieser angespannten Lage die Spanien durchlebt, ist da ein dritter Weg, wie Sie ihn suchen, nicht zum Scheitern verurteilt?

Ich glaube, dass der Dialog der einzig mögliche Weg ist. Es ist völlig utopisch zu glauben, dass mit der Anwendung des Artikels 155 der spanischen Verfassung oder einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung das Problem gelöst werden wird. Das sind beides Sackgassen. Das geschieht alles nur, mit Blick auf die öffentliche Meinung, aber diese Maßnahmen werden zu nichts führen. Früher oder später wird es einen Dialog geben müssen. Dass es soweit gekommen ist, ist ein kollektives Scheitern aber vor allem das Scheitern der Politiker.

Was bisher geschah: