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Showdown in Katalonien beginnt

Der Chef der katalanischen Autonomieregierung Carles Puigdemont weicht von seiner Linie nicht ab. Auch beim Ablauf des zweiten Ultimatums seitens der Madrider Zentralregierung des konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy antwortete der Katalanen nicht eindeutig auf die Frage, ob er denn nun bei seinem Auftritt vor dem Autonomieparlament am 10. Oktober die Unabhängigkeit der nordostspanischen Region erklärt habe, oder nicht.

Wie bereits zum Beginn der Woche, als das erste Ultimatum Madrids ablief, beteuert Puigdemont einmal mehr, das er Dialog wünschen. Am 10. Oktober nahm Puigdemont vor dem Autonomieparlament „das Mandat des Volkes (…), dass Katalonien in Form einer Republik ein unabhängiger Staat wird“, fügte dann aber hinzu: „Die Regierung und ich schlagen vor, dass das Parlament die Auswirkungen der Unabhängigkeitserklärung aussetzen wird, so dass wir in den kommenden Wochen einen Dialog führen.“

Und das obwohl so sein Brief vom Donnerstag an Rajoy, eben dieses Mandat deutlich ausfiel. Bei der Volksabstimmung über die Unabhängigkeit, die am 1. Oktober trotz Verbot durch das spanische Verfassungsgericht stattfand, stimmten über 90 Prozent für eine unabhängige Katalanische Republik. 43 Prozent der Wahlberechtigten waren trotz gewalttätiger Polizeieinsätze an die Urnen gegangen. Das Ergebnis sei damit höher, als das, welches „es den Briten erlaubte, den Brexit einzuleiten“, schreibt Puigdemont an Rajoy.

Seit Puigdemonts Rede am 10. Oktober will Madrid wissen, ob dies denn nun eine Unabhängigkeitserklärung war oder nicht. Puigdemont antwortet ausweichend und verlangt ein Ende der Repression durch Polizei und Justiz, sowie Verhandlungen zwischen Barcelona und Madrid.

Beides ohne Erfolg. Die Staatsanwaltschaft, die in Spanien direkt dem Justizminister untersteht, beantragte am Montag bei Gericht mit Erfolg die Verhaftung von Jordi Sànchez von der Katalanischen Nationalversammlung (ANC) und Jordi Cuixart von der Kulturorganisation Òmnium. Die beiden Organisationen bilden das Rückgrat der Unabhängigkeitsbewegung. Die „zwei Jordis“, wie die Verhafteten in Katalonien genannt werden, sollen sich des „Aufstands“ schuldig gemacht haben. Und das obwohl die Demonstrationen für die Unabhängigkeit bisher friedlich verliefen. Selbst Amnesty International verlangt die Freilassung von Sánchez und Cuixart.

Auch von einem Dialog oder gar – wie von Puigdemont am vergangenen Montag geforderten direkten Treffen will Rajoy weiterhin nichts wissen. Puigdemont habe die „Verfassungslegalität gebrochen“. „Als Folge wird die Regierung Spaniens die im Verfassungsartikel 155 vorgesehenen Formalitäten umsetzen, um die Legalität in der Selbstregierung Kataloniens wieder herzustellen“, heisst es in einem Kommuniqué der Regierung. Der Artikel155 erlaubt es, die Autonomieregierung Puigdemonts des Amtes zu entheben und Katalonien direkt von Madrid aus zu regieren. In einigen Monaten könnten dann Neuwahlen für das Autonomieparlament ausgerufen werden.

Am Samstag werden auf einer Kabinettssitzung die genauen Pläne zu Intervention in Katalonien beschlossen. Rajoy hat diese seit Tagen mit dem Vorsitzenden der Sozialisten (PSOE) Pedro Sánchez und dem der rechtsliberalen Ciudadanos (C‘s) Albert Rivera abgestimmt. Der Plan der Regierung geht dann an den Senat. Die zweite Kammer des spanischen Parlaments wird eine Kommission mit Vertretern aus allen Autonomen Regionen einberufen. Diese studiert den Plan, hört Puigdemont und stimmt dann ab. Sollten sie, was zu erwarten ist, mehrheitlich der Anwendung des 155 zustimmen, wird eine Plenarsitzung des Senats einberufen. Diese muss mit absoluter Mehrheit dem 155 für Katalonien zustimmen. Rajoys Partido Popular (PP) hat im Senat die absolute Mehrheit und wird von PSOE und C‘s unterstützt. Gegenstimmen sind nur von Podemos und den Nationalisten aus unterschiedlichen spanischen Regionen zu erwarten. Bis die Regierung in Barcelona des Amtes enthoben werden kann, wird mindestens eine Woche ins Land gehen.

Puigdemont erwartete keine andere Reaktion. „Dass die einzige Antwort auf unserer Dialogbereitschaft die Ausserkraftsetzung der Autonomie ist, zeigt, dass man sich des Problems nicht bewusst ist und dass man nicht reden will“, schreibt er. Und er droht mit Konsequenzen: „Das Parlament Kataloniens, kann – falls es dies als opportun ansieht – einer förmliche Unabhängigkeitserklärung zustimmen, was es am 10. Oktober nicht gemacht hat“, beantwortet Puigdemont am Ende seines Schreibens die Frage nach der Unabhängigkeit doch noch, wenn auch nur indirekt, auch wenn das in Madrid keiner wahrnehmen will.

Die Parteien, die Puigdemonts Regierung unterstützen, stehen hinter einer solchen Unabhängigkeitserklärung. Gleichzeitig macht die Unabhängigkeitsbewegung auf der Straße mobil. Sie will massiven, friedlichen Widerstand gegen die von Madrid eingesetzte Verwaltung leisten. Der erste Schritt wird eine Großdemonstration am kommenden Samstag sein.

Währenddessen leidet die Wirtschaft immer stärker unter dem Katalonienkonflikt. Über 800 Unternehmen haben ihren Hauptsitz ins restliche Spanien verlegt. Die Regierung in Madrid rechnet damit, dass das Wirtschaftswachstum mehr als ein Prozent zurückgehen und das Defizit um 0,5 Prozent steigen wird. Falls der Konflikt länger anhält, könnten die Folgen noch schlimmer sein.

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