© 2017 Reiner Wandler

Politische Gefangene

Eines muss man der spanischen Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy lassen. Sie versteht es wichtige Jahrestage zu feiern. Am Sonntag jährte sich das Amnestiegesetz, mit dem die politischen gefangenen der Franco-Diktatur ihre Freiheit erlangten, zum 40. Mal. Am Montag beantragte die Staatsanwaltschaft, die in Spanien direkt dem Justizministerium unterstellt ist, die Verhaftung Vorsitzenden der Katalanischen Nationalversammlung (ANC) Jordi Sànchez und der Kulturorganisation Òmnium, Jordi Cuixart. Das Gericht gab dem statt. Die „zwei Jordis“ sitzen seit Montagabend in Haft, ohne Kaution. Spanien hat 40 Jahre später wieder politische Gefangene.

ANC und Òmnium bilden das Rückgrat der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung. Ihren Vorsitzenden wird „Aufstand“ vorgeworfen. Dabei blieben die Proteste, die sie angeblich angestiftet und dirigiert haben völlig friedlich. Einzige Schäden, die zu beklagen sind: Ein paar platte Reifen an drei Polizeifahrzeugen, die zudem über und über mit Aufklebern verziert wurden. Wenn das Aufstand ist, wie nennen wir es dann erst, wenn irgendwann einmal – was keiner hoffen mag – Barrikaden errichtet werden sollten?

„Mit Politik ist alles möglich“ mussten sich die baskischen Separatisten immer wieder anhören, als sie noch dem bewaffneten Kampf verpflichtet fühlten. Die Katalanen nahmen dies ernst. Sie bauen seit Jahren beharrlich eine breite, friedliche Bürgerbewegung für die Unabhängigkeit auf. ANC und Òmnium sind dabei die treibenden Kräfte. Ohne sie wäre es nicht möglich gewesen, das Referendum zur Unabhängigkeit am 1. Oktober trotz Verbot durchzuführen.

Statt ein ganz offensichtlich politisches Problem mit Politik, soll heißen Dialog, zu beantworten, setzt die Regierung in Madrid weiterhin auf Repression. Es sieht ganz so aus, als wolle Rajoy, dass die Situation endgültig explodiert. Denn als Verteidiger des Vaterlandes kann er geschickt von seinen eigenen Skandalen ablenken. Es laufen Dutzende Verfahren gegen ranghohe Politiker aus Rajoys Umfeld wegen milliardenschwerer Korruption. Die meisten sind, anders als Sànchez und Cuixart, auf freiem Fuss. So viel zum Gesetz, das es zu respektieren gilt./Foto: ANC

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