© 2017 Reiner Wandler

Aneinander vorbeigeredet

Weder Ja, noch Nein. Der katalanische Präsident Carles Puigdemont hat die Frage, ob er denn nun am vergangenen Dienstag vor dem Autonomieparlament die Unabhängigkeit erklärt habe, oder nicht, mit einem zwei Seiten langen Schreiben geantwortet. „Die Situation, die wir durchleben ist von solcher Tragweite, dass sie nach politischen Antworten und Lösungen verlangt, die auf der Höhe sind“, beginnt Puigdemont seinen Brief, der am Montag früh, vor Ablauf des Ultimatums um 10 Uhr den Regierungspalast La Moncloa in Madrid erreichte. Die Mehrheit der Gesellschaft und auch Europa würde das von den beiden Konfliktparteien erwarten, ist sich Puigdemont sicher.

Der Chef der Autonomieregierung „Generalitat“ bietet dem konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy an, eine zweimonatige Dialogfrist auszurufen, wenn nötig mit internationalen Vermittlern. „Lassen wir nicht zu, dass sich die Situation weiter verschlechtert. Ich bin sicher, dass wir mit gutem Wille, der Anerkennung des Problems und mit einem klaren Blick einen Weg zur Lösung finden können“, endet das Schreiben. Puigdemont hatte in seiner Rede vom vergangenen Dienstag die Katalanischen Republik angekündigt, dies aber zur Förderung eines Dialoges sofort wieder ausgesetzt.

„Ich bedauere, dass Sie beschlossen haben die Anfrage (…) nicht zu beantworten, und somit nicht zu klären, ob irgendeine Autorität der Generalitat die Unabhängigkeit Kataloniens ausgerufen hat“, beginnt Rajoys sein Schreiben, das weniger als zwei Stunden auf sich warten ließ. Rajoy will von einem Dialog nichts wissen, solange Puigdemont nicht zur „Legalität zurückkehrt“. Einen Dialog könne es nur im Rahmen der derzeitigen Verfassung geben. Diese sieht eine Selbstbestimmungsrecht der Völker und damit ein Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens nicht vor.

Die spanische Regierung stellt ein neues Ultimatum. Rajoy verlangt von Puigdemont bis am Donnerstag früh um 10 Uhr die entsprechende Klärung nachzureichen. Wenn nicht sei er „der einzig Verantwortliche für die Anwendung der Verfassung.“ Der spanische Regierungschef meint damit den Artikel 155 der spanischen Verfassung, der es erlaubt, die Autonomiebefugnisse ausser Kraft zu setzen und Katalonien direkt von Madrid aus zu regieren. „Das impliziert nicht die Suspendierung der Selbstregierung sondern die Restauration der Legalität“, heisst es in Rajoys Schreiben, ohne weiter zu klären, wie dies gemeint ist. Eine der Möglichkeiten wäre, dass Madrid die Auflösung des katalanischen Parlamentes anordnet und Neuwahlen ausruft. Für den Fall, dass das geschehen sollte, haben die Parteien, die die Unabhängigkeit Kataloniens fordern, angekündigt, den Urnengang zu boykottieren. Sie stellen derzeit die Mehrheit im katalanischen Parlament.

Sollte Puigdemont auch über den Donnertag hinaus zweideutig bleiben, sieht der weitere Fahrplan Rajoys vor, dass der Senat nach einer Sondersitzung des Kabinetts in Madrid über die Anwendung des Artikels 155 beraten wird. In dieser zweiten Kammer des spanischen Parlaments hat Rajoys Partido Popular (PP) die absolute Mehrheit und kann ausserdem auf die Unterstützung der sozialistischen PSOE und der rechtsliberalen Ciudadanos (C‘s) setzen. Eine Verschärfung des sozialen Konflikts mit Massenmobilisierungen, Streiks und Blockaden scheint vorprogrammiert.

Und auch die Justiz lässt nicht locker. Die Ermittlungsrichterin Ermittlungsrichterin Carmen Lamela am spanischen Sondergerichtshof, für Terror, Bandenkriminalität und Finanzdelikte, der Audiencia Nacional beschoss am Montag abend, dass der Chef der katalanischen Autonomiepolizei Mossos d‘Esquadra, Josep Lluis Trapero, seinen Pass abgeben muss und Spanien nicht verlassen darf. Außerdem muss er sich regelmässig bei dem nächstgelegenen Gericht melden. Sie blieb damit hinter den Forderungen der Staatsanwaltschaft zurück. Diese hatte U-Haft ohne Kaution verlangt. Trapero soll sich – so die Ermittlungen, des „Aufstandes“ schuldig gemacht haben. Er habe seinen Polizisten Befehle gegeben, die den Anordnungen aus Madrid widersprachen.

Das habe sowohl am 20. September gegolten, als die von Madrid entsandte paramilitärische Guardia Civil mehrere Räumlichkeiten der katalanischen Autonomieregierung Generalitat in Barcelona durchsuchte und 12 hohe Regierungsvertreter abführen ließ, als auch am 1. Oktober, als in Katalonien trotz Verbot durch das Verfassungsgericht ein Referendum über die Unabhängigkeit der nordostspanischen Region abgehalten wurde. Trapero habe dafür gesorgt, dass seine Beamten nicht einschritten.

Die Staatsanwaltschaft, die in Spanien direkt dem Justizministerium und damit der konservativen Regierung von Ministerpräsidenten Mariano Rajoy untersteht, begründete ihren Antrag mit der Gefahr auf Wiederholung der Tat. Trapero sei der „ausführende Arm“ des Planes, mit dem die Regierung ihn Katalonien zur Unabhängigkeit gelangen will. Trapero drohen im Falle einer Verurteilung bis zu 15 Jahre Haft. Gegen eine weitere hohe Polizeibeamten wurde bereits am Vormittag zu U-Haft verhängt. In ihrem Falle wird sie allerdings gegen 40.000 Euro Kaution ausgesetzt.

Im Laufe des Abends werden auch die beiden Vorsitzenden der Nationalversammlung Kataloniens (ANC) und Òmnium, Jordi Sànchez und Jordi Cuixart vor der Audiencia Nacional aussagen müssen. Auch ihnen wird „Aufstand“ vorgeworfen. Auch für sie fordert die Staatsanwaltschaft Untersuchungshaft ohne Kaution. Die beiden Organisationen bilden das Rückgrat der Unabhängigkeitsbewegung.

Ebenfalls heute stellte Spaniens Ministerpräsident Rajoy ein erneutes Ultimatum an den Präsidenten der Generalitat, Carles Puigdemont. Wenn er nicht bis Donnerstag erkläre, dass er die Unabhängigkeit Kataloniens nicht ausgerufen habe, werde seine Regierung mittels Verfassungsartikel 155 des Amtes enthoben. Laut Presseberichten traf sichJustizminister Rafael Catalá traf sich mit Generalstaatsanwalt José Manuel Maza just an dem Tag als Richterin Lamela beschloss Trapero, Sànchez und Cuixart vorzuladen.

Was bisher geschah: