© 2017 Reiner Wandler

Dialog? Fehlanzeige.

Die Chancen für einen Dialog zwischen der spanischen Zentralregierung in Madrid und der „Generalitat“ in Katalonien schwinden. Jetzt hat sich auch König Felipe VI. in einer Fernsehansprache vom Dienstagabend zum Konflikt um die Unabhängigkeit der nord-ost-spanischen Region rund um Barcelona geäussert. Er wirft der Autonomieregierung „Generalitat“ „unzulässige Untreue“ vor. Der Staat müsse die „verfassungsmäßige Ordnung“ gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen verteidigen. „Angesichts dieser Situation von extremer Tragweite“ sei es „die Verantwortung der legitimen Staatsgewalten (…) die verfassungsmässige Ordnung aufrecht zu erhalten.“ Er verlor kein Wort über eine Dialoglösung oder Vermittlung, wie Barcelona das gerne hätte.

Beide Seite wissen, was das bedeutet. Der Monarch gibt – auch wenn er rein rechtlich nicht gehört werden muss – der Regierung in Madrid freie Hand, die Autonomie der Katalanen ausser Kraft zu setzen und die Region von Madrid aus zu regieren. Der Artikel 155 der Verfassung lässt dies im Falle der Rebellion einer Region gegen Madrid zu. Ministerpräsident Mariano Rajoy braucht dazu nur ein Beschluss der zweiten Kammer des spanischen Parlamentes, dem Senat. Dort genießt seine konservative Partido Popular (PP) – anders als im Kongress – die absolute Mehrheit.

Die Stimmen derer, die ein solches Eingreifen fordern, werden immer lauter. Zuerst kamen sie nur aus den Reihen der PP und der rechtsliberalen Ciudadanos. Jetzt setzen auch namhafte Sozialisten auf eine drastische Lösung, allen voran die ehemalige Nummer 2 der PSOE zu Zeiten von Felipe González, Alfonso Guerra. „Verhandeln mit Putschisten?“ das käme für ihn nicht in Frage. „Die Republik hat das besser gelöst“, fügt er hinzu.

In Katalonien weiss jeder, was der Sozialist damit meint. Guerra bezieht sich auf den Tag, der sich am morgigen Freitag zum 83. Male jährt. Am 6. Oktober 1934 rief die katalanische Regierung die „Republik Katalonien“ aus. Nur wenige Stunden später besetzten aus Madrid entsandte Truppen die Generalitat und verhafteten den Präsidenten.

Der 155 würde ein ähnliches Szenario erlauben. Die notwendigen Polizeikräfte sind bereits vor Ort. Rund 12.000 Nationalpolizisten und Mitglieder der paramilitärischen Guardia Civil befinden sich in Katalonien. Die meisten wurden anlässlich des Referendums am vergangenen Sonntag in die Region verlegt. „Sie werden solange bleiben, wie es nötig ist“, erklärte der spanische Innenminister Juan Ignacio Zoido am Mittwoch anlässlich eines Besuchs zum Frühstück bei seinen Truppen in Katalonien.

Auch die Justiz ist weiter aktiv. Das spanische Sondergericht für Terrorismus, Banden-, Korruptions- und Finanzdelikte in Madrid, die Audiencia Nacional, ermittelt gegen die Vorsitzenden der Katalanischen Nationalversammlung (ANC) und Òmnium, die das Rückgrat der Unabhängigkeitsbewegung bilden, sowie gegen den Chef der Autonomiepolizei Mossos d‘Esquadra Josep Lluis Trapero wegen „Aufstand“. Ersteren drohen damit 4 bis 8 Jahre Gefängnis, Trapero als Würdenträger gar 15 Jahre.

Puigdemont reagierte genau 24 Stunden später mit einer eigenen TV-Ansprache auf König Felipe VI.. Er warf dem Monarchen vor, die Politik Rajoys zu verfolgen und beschwor die friedliche Haltung des katalanischen Volkes, „das sich nicht spalten lässt“. „So nicht, Sie haben viele Katalanen enttäuscht“, richtete sich Puigdemont, der einen teil seiner Ansprache in Spanisch hielt, an den König. In den nächsten Tagen werde er das resiltat analysieren und bewerten. Wann und ob er die einseitige Unabhängigkeit ausrufen wird, darüber schwieg sich Puigdemont aus. Er hoffe weiter auf Dialog und Vermittlung. Für Montag wurde eine Sitzung des Autonomieparlaments einberufen, um das Ergebnis des trotz Verbots abgehaltenen Referendums zu bewerten, bei dem knapp über 90 Prozent für die Unabhängigkeit stimmten.

Omnium und ANC machen auf den Straßen Druck für eine „schnelle, einseitige Unabhängigkeitserklärung“. Das vom spanischen Verfassungsgericht suspendierte, katalanische Referendumsgesetz sieht eine Unabhängigkeitserklärung 48 Stunden nach besagter Parlamentssitzung vor. CUP und der linke Flüge von JxSí unterstützen eine solches Vorgehen. Puigdemont hingegen scheint auf Zeit zu spielen, um internationale Unterstützung und Vermittler zu gewinnen, die eine gütliche Abspaltung Kataloniens von Spanien aushandeln.

Der Regierungschef im spanischen Baskenland Iñigo Urkullu richtete sich an Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker und bot sich als Berater für eine solche Vermittlungsmission an. Auch die Bürgermeisterin von Barcelona Ada Colau warnte nach der Ansprache von Felipe VI.: „Weder eine einseitige Unabhängigkeitserklärung noch der 155. Wir brauchen mehr denn je Vermittlung und ein Referendum in beiderseitigem Einvernehmen.“

Was bisher geschah: