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„Polizeifehler vor den Barcelona-Anschlägen untersuchen“

Interview mit Xavier Domènech, Sprecher der Partei En Comú Podem

Der Geschichtsprofessor Xavier Domènech (42) ist Sprecher der Partei En Comú Podem im spanischen Parlament. En Comú, die Partei rund um Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau, gehört zu dem breiten Bündnis, das gemeinsam mit der Linkspartei Podemos bei der Wahl antrat und drittstärkste Kraft in Spanien ist./ Foto En Comú Podem

rw: Vor wenigen Tagen haben Sie die Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen aus Katalonien und Madrid gelobt. Jetzt beschweren sich die Polizei und die Guardia Civil, sie seien isoliert worden. Wie erklären Sie sich das?

Domènech: Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Polizeikräften wie den katalanischen Mossos d’Esquadra der Nationalpolizei und der Guardia Civil funktionierte nach den Attentaten sehr gut. Sicher ist es auch zu Unstimmigkeiten gekommen. In den nächsten Wochen müssen wir die gesamten Aktionen genau analysieren. Vor allem muss es darum gehen, die möglichen Fehler in der Koordination vor den Anschlägen zu untersuchen.

rw: Wie ist es zu erklären, dass die baskische Polizei, die Ertzaintza, an Interpol angebunden ist und Zugang zu deren Datenbasen hat und die Mossos nicht?

Domènech: Das ist ganz klar das Ergebnis der Verhandlungen zwischen der baskischen Regierung und der in Madrid, als es um die Zustimmung zum Haushalt ging. Das hat die Anbindung der Ertzaintza an Europol beschleunigt. Das ist so nicht haltbar. Das ist schließlich nicht ein Problem politischer Verhandlungen, sondern eine Frage der Zuständigkeiten. Wir haben das auf dem Treffen zum Antiterrorpakt angesprochen, und der Innenminister hat uns versprochen, dass die Mossos so schnell wie möglich an Europol angegliedert werden.

rw: Die politische Einheit, die wir nach den Anschlägen beobachten konnten, war von kurzer Dauer.

Domènech: Die Beziehungen zwischen den katalanischen Institutionen und der spanischen Regierung stecken seit Jahren in einer tiefen Krise. Es geht dabei um das Recht, über die Zukunft frei zu entscheiden. Gerade deshalb ist es positiv, dass in einem solchen Moment der höchsten Anspannung angesichts der Attentate die Einheit möglich war. Aber sicher ist das, was zuvor die Beziehung belastet hat, nicht vom Tisch.

rw: Sie meinen das Referendum am 1. Oktober? Welche Auswirkungen werden die Anschläge haben?

Domènech: Diese Frage stellen wir uns alle. Es sieht nicht danach aus, dass die Regierung von Katalonien und die in Madrid aufeinander zugehen und in einen Dialog eintreten, um gemeinsam nach einer Lösung zu suchen.

rw: Werden die Attentate Einfluss auf das Wählerverhalten am 1. Oktober haben?

Domènech: Es gibt verschiedene Ansichten. Eine davon ist, dass Katalonien nach den Anschlägen bewiesen hat, dass es über starke Institutionen verfügt. Aber es ist schwierig zu sagen, wie sich das auswirkt. Wir leben noch immer im Schockzustand. Ich glaube, wir sollten das, was wir durchlebt haben, die Einheit angesichts des Schmerzes und der Trauer, in Zeiten politischer Spaltung hinüberretten, auch wenn das nicht leichtfallen wird. Am besten wäre, wenn sich aus alldem ein Dialogprozess ergeben und die Regierung in Madrid endlich die Forderung der Mehrheit der Katalanen nach einer Volksabstimmung erhören würde.

rw: Für En Comú ist das Referendum am 1. Oktober nicht die endgültige Volksabstimmung, sondern nur ein weiterer Schritt?

Domènech: Wir haben immer verteidigt, dass der Konflikt nur mit einer Volksabstimmung gelöst werden kann. Aber eine solche Volksabstimmung muss die maximale Rechtssicherheit bieten. Was wir jetzt erleben, ist keine solche Volksabstimmung, sondern eine Antwort auf die sture Haltung Madrids. Es ist eine Mobilisierung, um einmal mehr das Recht auf freie Entscheidung zu unterstreichen.

rw: Werden Sie am 1. Oktober abstimmen?

Domènech: Wir werden im Lauf der kommenden Wochen eine Versammlung einberufen, bei der wir entscheiden, wie wir uns als Partei verhalten. Wir unterstützen alle Mobilisierungen, die das Recht auf freie Entscheidung einfordern. Aber was wir empfehlen, das haben wir noch nicht entscheiden. In unserer Partei gibt es dazu unterschiedliche Ansichten. Wir sind so pluralistisch wie die katalanische Gesellschaft selbst.

rw: Und wie stimmt Xavier Domènech ab? Ja oder Nein?

Domènech: Ich gehe zur Wahl, wie ich das immer getan habe. Aber wie ich abstimme, werde ich nach den internen Debatten entscheiden.

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