© 2017 Reiner Wandler

Katalonien bereitet Loslösung vor

Die katalanischen Befürworter der Unabhängigkeit stellten am Montag ein Gesetz zum juristischen Übergang der Region vom Teil Spaniens zum unabhängigen Staat. Das Gesetzt des juristischen Übergangs und zur Gründung der Republik soll noch vor dem 1. Oktober vom katalanischen Autonomieparlament verabschiedet werden, erklärten die Vertreter der beiden im Regierungsbündnis „Gemeinsam für das Ja“ (JxSí) vertretenen Parteien, der konservativen Demokratisch Europäischen Partei Kataloniens (PdeCat) und der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) sowie der antikapitalistischen Kandidatur der Volkseinheit (CUP). Am 1. Oktober dann soll eine Volksabstimmung über die Zukunft der spanischen Nord-Ost-Region stattfinden. Sollte das „Ja“ zur Unabhängigkeit gewinnen, will die Regierung in Barcelona binnen 48 Stunden die Republik Katalonien ausrufen. Madrid erklärte das Ansinnen, ein Referendum abzuhalten, für verfassungswidrig und will alles daran setzen, um den Urnengang zu verhindern.

Das Übergangsgesetz ist, so der Vizepräsident des katalanischen Parlaments und Sprecher von JxSí, Lluís Corominas, im Falle eines Sieges der Unabhängigkeit beim vorgesehenen Referendum das „höchste Gesetz“ bis zur Ausarbeitung und Verabschiedung einer Verfassung der Katalanischen Republik. Nach dem 1. Oktober sollen unmittelbar Neuwahlen angesetzt werden. Daraus gehe dann eine Verfassungsgebende Versammlung hervor. Sollte das „Nein“ zur Unabhängigkeit gewinnen tritt das Gesetz nicht in kraft. Statt einer Verfassunggebenden Versammlung würde dann ein neues Autonomieparlament gewählt.

Das Übergangsgesetz sieht die sofortige Gründung neuer Institutionen vor. Darunter Gerichte, die die Kompetenzen wahrnehmen, die bisher beim Obersten Gerichtshof und dem Verfassungsgericht Spaniens lagen.

Ausserdem wird im Gesetz festgelegt, wer und über was mit Spanien verhandelt wird. Das Gesetz ermögliche die doppelte Staatsbürgerschaft. Katalanen könnten damit, falls Madrid dies akzeptiert, auch Spanier bleiben. Die bisherigen Sozialleistungen, wie zum Beispiel die Renten, sollen nach der Unabhängigkeit nicht angetastet werden.

„Wir wollen, dass diejenigen die mit ‚Ja‘ stimmen, einen klaren juristischen Rahmen haben. Wir wollen niemandem das ‚Ja‘ aufzwingen. Wir werden uns an den Urnen legitimieren“, erklärte Corominas. Die Befürworter der Unabhängigkeit versprechen sich von dem Gesetz eine Rechtssicherheit, die die Wähler am 1. Oktober mobilisiert.

Doch noch ist die Abstimmung selbst nicht komplett vorbereitet. Zwar hat die katalanische Regierung nach eigenen Angaben nach mehreren Versuchen die nötigen 6.000 Wahlurnen erstanden, doch das Gesetz über die Durchführung des Referendums muss noch vom Autonomieparlament in Barcelona verabschiedet werden. Madrid hat bereits angekündigt dies dann vom spanischen Verfassungsgericht für ungültig erklären zu lassen.

Der spanische Innenminister Juan Ignacio Zoido beteuerte am Montag einmal mehr, es werde „keine Volksabstimmung am 1. Oktober geben“. Die konservative Regierung von Mariano Rajoy in Madrid sei auf alles vorbereitet. Sie werde zu den nötigen Massnahmen greifen. „Wenn sie darauf bestehen, dass es stattfindet ist unsere Pflicht dies zu verhindern“, sagte er gegenüber dem Radio de Bischofskonferenz COPE. Er hoffe, dass die katalanische Polizei Mossos d’Esquadra den Rechtsstaat verteidigen werden. Ob eine der Massnahmen, die er ins Auge fast, die Amtsenthebung der katalanischen Regierung oder gar die Entsendung von Polizei ist, wie es die Verfassung erlauben würde, darüber schweigt sich die Regierung in Madrid bisher aus. Hohe konservative Politiker bringen dies jedoch immer wieder ins Spiel, so am Montag der Vorsitzenden von Rajoys Partido Popular in Katalonien Xavier García Albiol.

*****

Meine Meinung

Ohne Dialog keine Lösung

Die Einheit ist endgültig vorbei. Gestern präsentierte die katalanische Regierung mit Unterstützung der antikapitalistischen CUP das Gesetz zum juristischen Übergang. Soll heißen, das Gesetz, das nach der Volksabstimmung am 1. Oktober den Weg in die Unabhängigkeit der rebellischen Region im spanischen Nordosten ermöglichen soll. Madrid wird einmal mehr alles tun, um den Schritt der Separatisten für rechtswidrig erklären zu lassen und um gegen verantwortliche der Regierung in Barcelona richterlich vorzugehen. Das Hin und Her nimmt also auch nach der politischen Pause, hervorgerufen durch die Trauer nach den Anschlägen von Barcelona und Cambrils, keine Ende.

Sowohl die Regierung in Barcelona als auch die in Madrid vertun damit eine Chance. Die Einheit nach dem tiefen Schock den die Attentate bedeuteten hätte den Weg frei machen können für einen Dialogprozess. Doch dazu hätte Spaniens konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy sowie die Sozialisten der PSOE und die rechtsliberalen Ciudadanos, die den Katalanen das Recht auf eine freie Entscheidung über ihre Zukunft absprechen, von ihrem Ross steigen müssen.

Wer glaubt, dass die ständige Verneinung dieses Rechtes die Katalanen zum Einlenken und zur Aufgabe zwingt, täuscht sich. Je sturer Madrid um so entschlossener Barcelona. Die überwältigende Mehrheit der Katalanen will eine solche Volksabstimmung, egal wie sie letztendlich wählen würden.

Eine Lösung des Konfliktes kann es deshalb nur geben, wenn Madrid sich mit Barcelona über eine solche Volksabstimmung einigt, so wie dies in Schottland oder vor Jahren bereits im kanadischen Quebec der Fall war. Dort wurden die Urnen im beiderseitigen Einvernehmen rechtzeitig aufgestellt. Die Separatisten unterlagen und fügten sich dem Urteil der Wähler. Je später Madrid einsieht, dass kein Weg an einer Abstimmung vorbeigeht, um so schlechter für die Einheit Spaniens. Denn die sture Madrider Politik schafft mehr und mehr Separatisten.

Was bisher geschah: