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Der Gürtel drückt immer mehr

2013: Spanier empfangen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy in Berlin mit der Melodie „Der Pate“.

Die Luft wird immer dünner für Spaniens Konservative. Verhaftungen, Rücktritte, Vorladungen – die Partido Popular (PP) kommt seit Tagen nicht mehr aus den Schlagzeilen. Jetzt trifft es gar Ministerpräsident Mariano Rajoy. Er muss als erster amtierender Regierungschef Spaniens als Zeuge vor Gericht. Er soll im größten Korruptionsprozess befragt werden. Im Falle „Gürtel“ – so benannt nach der Übersetzung des Nachnamens einer der Hauptangeklagten Francisco Correa – geht es um die systematische Finanzierung von Rajoys PP mit Geldern aus der Korruption vor allem im Immobiliensektor, aber auch bei Geschäften mit Gemeinde- und Regionalverwaltungen. Wann genau Rajoy vorgeladen wird steht noch nicht fest.

Anders bei Esperanza Aguirre. Die ehemalige Chefin der Madrider Regionalregierung (2003 bis 2012) muss heute (Do) im gleichen Verfahren als Zeugin vor den Obersten Strafgerichtshof, die Audiencia Nacional, in Madrid. In ihrer Zeit soll die PP alle regionalen Wahlkämpfe mit Korruptionsgeldern finanziert haben. Ihre Landesregierung nahm Unternehmen aus dem Umfeld Correa für rund sieben Millionen Euro unter Vertrag. Hinzu kommen lukrative Geschäfte mit Rathäusern überall in der Region, immer zu völlig überhöhten Preisen. Ein Teil der Gelder floss dann an die Partei.

Aguirres Vize und von 2012 bis 2015 Nachfolger an der Spitze der Regionalregierung, Ignacio González, wurde gestern (Mi) festgenommen. Die Ermittlungsrichter werfen ihm vor, mit Geldern der regionalen Wasserversorgung Canal Isabel II zu absurd überhöhten Preisen Unternehmen in Lateinamerika aufgekauft zu haben. Auch dieses Geld floss, so der Verdacht, teilweise in seine Taschen, teilweise in die Kasse der PP. Mit millionenschweren Werbekampagnen sorgte die Wasserbehörde dafür, dass die Presse der Regierung Aguirre wohl gesonnen war. Im Internet wurden sogar „Nachrichtenwebs“ eingerichtet, die nur eine Aufgabe hatten: Die Verdienste der Konservativen zu preisen und die Opposition zu kritisieren.

Doch damit nicht genug. Anfang des Monats musste der Regierungschef der Region Murcia, Pedro Antonio Sánchez, zurücktreten, nachdem dort ein Gericht Ermittlungen gegen ihn einleitete. Es geht um Baukorruption in seiner Zeit als Bürgermeister eines 15.000-Seelenortes.

Und ein enger Vertrauter Rajoys, der ehemalige Wirtschaftsminister und spätere geschäftsführende Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) Rodrigo Rato steht derzeit vor Gericht. Er soll während er im Amt war zig Millionen über Konten in Steuerparadiesen gewaschen und Staatsaufträge an eigene Unternehmen vergeben haben. Für die großangelegte Bereicherung an der Spitze der verstaatlichten Krisenbank Bankia wurde Rajoys Vorzeigeminister Rato bereits zu 4,5 Jahren Haft verurteilt.

Alleine das Netzwerk Gürtel hat – so Berechnungen der Presse – knapp 700 Millionen Euro beiseite geschafft. Correa bereicherte sich mit 119 Millionen Euro. Eine weitere Schlüsselfiguren, der ehemalige PP-Buchhalter Luis Bárcenas, verbarg rund 90 Millionen Euro auf ausländischen Konten. Bárcenas verteilte großzügig Umschläge mit Schwarzgeld an wichtige Parteiführer. Auch Rajoy soll solche Zuwendungen erhalten haben. Als die Polizei 2013 die PP-Geschäftsstelle in Madrid durchsuchte, fand sie zwar die Computer von Bárcenas. Die Festplatten jedoch waren herausgenommen und mehrmals gelöscht und anschließend mit roher Gewalt zerstört worden. Auch dazu wird Rajoy wohl Rede und Antwort stehen müssen.

Während die PP in einem Kommuniqué erklärt, dass die Vorladung Rajoys „weder nützlich noch erforderlich“ sei, begrüssen die beiden Oppositionspartei, die sozialistische PSOE und Podemos die Entscheidung und verlangen eine parlamentarische einer Fragestunde zum Thema „Gürtel“. Die rechtsliberale Ciudadanos, die sich im Wahlkampf den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben hatte, will die Minderheitsregierung Rajoy weiterhin stützen, solange dieser nicht angeklagt wird.

Was bisher geschah: