© 2016 Reiner Wandler

Spaniens Konservative gewinnen Wahlen

 

„Was ist das? Sind das die Bösen?“ fragte der geschäftsführende, konservative spanische Minitserpräsident Mariano Rajoy erschrocken, bevor er auf den Balkon der Zentrale seiner Paertido Popular (PP) im Herzen Madrids trat und sah, dass es seine Anhänger waren, die dort unten auf der Straße „Ja man kann!“ skandierten. Es ist eigentlich der Schlachtruf der Bewegungen gegen Sparpolitik, Zwangsräumungen und vor allem der, der jungen Antiausteritätspartei Podemos. Die Anhänger von Rajoys Partido Popular (PP) feierten mit diesem Sprechchor ihren Sieg über Spaniens Linke. „Wir haben erneut gewonnen. Es war keine leichte Etappe, oder besser gesagt es war eine schwere“, rief Rajoy dann erleichtert der Menge zu.

Zwar sind die Konservativen weit von einer absoluten Mehrheit entfernt, die sie bis zu den vergangenen Wahlen am 20 Dezember hielten, aber bei den vorgezogenen Neuwahlen am Sonntag erzielten sie 33 Prozent. Das sind 4,3 Prozent mehr als vergangenen Dezember. Die PP zieht mit 137 statt wie im Dezmeber mit 123 Abgeordneten ins 350 Abgeordneten starke Parlament ein. Ein Großteil der Zugewinne gehen auf Kosten der rechtsliberalen Ciudadanos (Bürger). Sie konnte im Dezember enttäuschte PP-Wähler an sich ziehen, die jetzt den Weg zurück gefunden haben. Ciudadanos verlor 8 der bisher 40 Abgeordneten und liegt bei 13 statt bisher 14 Prozent.

„Ja man kann!“ rufen auch vor dem Museum für Moderne Kunst Reina Sofia keine zwei Kilometer entfernt tausende Menschen – trotzig,um sich selbst Mut zu machen. Die hier versammelten Anhänger von Unidos Podemos – dem Wahlbündnis aus der nur zwei Jahre alten Antiausteritätspartei Podemos und der kommunistischen Vereinigten Linken (IU) – hatten nichts zu feiern. Zwar ziehen sie erneut mit 71 Abgeordneten ins Parlament ein. Doch aus Platz 2, hinter den Konservativen und vor der sozialistischen PSOE, wie es die Umfragen vorhersagten, wird nichts. Zwar erzielte die PSOE mit 22,6 Prozent und 85 Abgeordneten – 5 weniger als im Dezember – ihr schlechtestes Ergebnis, aber Unidos Podemos konnte daraus keinen Profit schlagen. Unidos Podemos verlor eine Million Stimmen, auch wenn das Verfahren der Sitzvergabe darüber hinwegtäuscht.

„Es ist kein befriedigendes Ergebnis“, erklärte der 37-jährige Spitzenkandidat und Politikprofessor Pablo Iglesias. Was seiner Ansicht nach schief gelaufen war, darüber gab er in der Wahlnacht keine Auskunft. Unidos Podemos beschränkte sich auf das Abspielen linker Hymnen und darauf Stärke in der Enttäuschung zu zeigen. „Das macht nichts!“ riefen die Sympathisanten ihrem Iglesias zu. „Immer bis zum Sieg“, entgegnete dieser mit geballter Faust.

Dass die PP, durch Hunderte schwerster Korruptionsskandale angeschlagen, sich so deutlich erholen kann, hatte niemand erwartet. Jetzt suchen alle nach Erklärungen. Rajoys „Strategie den Wahlkampf zu polarisieren (…) funktionierte“, schreibt die größte Tageszeitung des Landes, El País.

Spanien ist auch Jahrzehnte nach dem Bürgerkrieg und der Franco -Diktatur tief zwischen rechts und links gespalten. Seit Monaten führt die PP mit Hilfe der Presse eine großangelegte Angstkampagne gegen „die Radikalen“ von Unidos Podemos. Die Rentenkürzungen in Griechenland müssen ebenso herhalten, wie die Probleme in Lateinamerika, allen voran Venezuela, wo bekannte Podemos-Mitglieder als Berater tätig gewesen waren. Hinzu kommt die Unsicherheit durch den Brexit, der den Endspurt der spanischen Wahlen überschattete. All das bewirkte, dass die Konservativen ihre Stammwählerschaft mobilisieren konnte wie keine andere Partei. Auch die anderen Partei kannten im Wahlkampf nur ein Thema, Angst vor Podemos. Das Bündnis mit der kommunistischen IU bot dafür zusätzliche Argumente.

Das neue Parlament, das am 19. Juli erstmals zusammentreten wird, ist trotz leichter Verschiebung nach rechts, ähnlich gespalten, wie das vom 20. Dezember. Weder Rajoy noch der Spitzenkandidat der Sozialisten, Pedro Sánchez, haben es leicht, eine Mehrheit zu bilden. Anders als nach dem 20. Dezember, als Rajoy nicht vor das Parlament trat um Regierungschef zu werden, will er dieses Mal „versuchen gewählt zu werden, um den Haushalt für 2017 zu verabschieden und um Gesetze zu erlassen und die Verpflichtungen mit der Europäischen Union zu erfüllen“. Rajoy setzt auf eine breite Front gegen die „Populisten“ und hofft auf die Stimmenthaltung der Sozialisten im zweiten Wahlgang.

Noch zieren sich Sánchez und die Seinen. Nach dem 20. Dezember weigerten sie sich, mit Podemos eine von kleineren, regionalen und nationalistischen Formationen geduldete linke Minderheitsregierung zu bilden. Jetzt hat eine solche Option fünf Abgeordnete weniger und damit kaum eine Chance vom Parlament abgesegnet zu werden. Bei den Sozialisten verlangt so mancher Regionalfürst und der ehemalige Regierungschef Felipe González eine Stimmenthaltung zu Gunsten der PP. Falls es Rajoy gelingen sollte, die rechtsliberalen Ciudadanos mit an Bord zu holen würden ihm nur sieben Stimmen zur absoluten Mehrheit im Parlament fehlen.

„In der zweiten Jahreshälfte, sobald es eine Regierung gibt, sind wir bereit neue Maßnahmen zu ergreifen“, versprach Rajoy vor wenigen Wochen in einem Brief an EU-Kommisionspräsidenten Juncker, der von der Presse öffentlich gemacht wurde. Rajoys Regierung verfehlte das von Brüssel gesteckte Defizitziel deutlich. 2015 lag es bei 5,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) statt den vereinbarten 4,2 Prozent. Will Rajoy wie vereinbart, 2016 das Ziel von 2,8 Prozent erreichen, muss es in diesem Jahr mindestens 20 Milliarden Euro einsparen.

Bereits jetzt ist das Gesundheits- und Bildungssystem schwer von Kürzungen betroffen. 23 Prozent der Spanier sind ohne Arbeit, bei jungen Menschen sind es über 46 Prozent. Nur jeder zweite Arbeitslose bezieht Stütze. Über 22 Prozent der Spanier leben an oder unter der Armutsgrenze. Von der wirtschaftlichen Erholung, die Rajoy immer wieder verkündet, will unten einfach nichts ankommen.

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