© 2016 Reiner Wandler

Patt oder Sieg?

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Wer dieser Tage durch Madrid geht, bekommt den Eindruck, nur eine Partei sei im Wahlkampf für die Parlamentswahlen am kommenden Sonntag: Unidos Podemos, das Bündnis aus Podemos und Vereinigter Linken. Überall hängen ihre Plakate, Parteifahnen zieren so manchen Balkon in der Innenstadt. Vom Infostand über Bürgerfragestunden bis hin zu Großveranstaltungen, die Wahlkoalition bestimmt ihrem Slogan „Das Lächeln eines Landes“ das Straßenbild. Die großen Parteien, die regierende konservative Partido Popular (PP) unter dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten Mariano Rajoy und die sozialistische PSOE von Pedro Sánchez, die jahrzehntelang das politische Leben des Landes prägten, lassen sich kaum blicken. Sie setzen auf Presse, Funk und Fernsehen.

Die Wähler stünden vor der Entscheidung „eine moderate Partei oder die Radikalen“ zu wählen, warnt der geschäftsführende Regierungschef Rajoy. Seine PP wird – so die Umfragen – mit knapp rund 28 Prozent einmal mehr stärkste Partei werden. Trotz Hunderter von Korruptionsskandalen kann Rajoy mit seiner Angstkampgane vor den „Radikalen“ die konservative Wählerschaft einmal mehr um sich zu scheren. Und das obwohl bei Wählern bis Anfang 50 Unidos Podemos die stärkste Partei ist. Von 50 bis zum Rentenalter teilen sich die Sozialisten und die Konservativen die Führung. Nur bei den Rentnern liegt Rajoys PP deutlich vorn. Doch genau dies bringt ihm Stimmen und vor allem Abgeordnete im ländlichen Raum, wo die jungen Menschen zum großen Teil abgewandert sind.

Es sind die zweiten Parlamentswahlen in nur sechs Monaten. Der erneute Urnengang war notwendig geworden, nachdem sich das am vergangene 20. Dezember gewählte Parlament auf keine Regierung einigen konnte. Erstmals sassen nicht wie bisher mit PP und PSOE zwei Blöcke gegenüber. Die junge Antiausteritätspartei Podemos unter dem jungen Politikprofessor Pablo Iglesias und die rechtsliberalen Ciudadanos unter Albert Rivera zogen erstmals mit starken Fraktionen ins Parlament ein. Eine Koalition, die eine Mehrheit hinter sich vereinigen hätte können, kam nicht zustande. Jetzt sollen die Wähler das Patt aufheben.

Ein geschickter Schachzug von Podemos könnte dies tatsächlich bewirken. Die vor zwei Jahren entstanden Formation schloss sich mit der Vereinigten Linken zu Unidos Podemos zusammen. Das bringt genug Stimmen, um die Sozialisten von Platz 2 auf Platz 3 zu verdrängen und den Konservativen nahe zu kommen. Umfragen sagen eine regierungsfähige Mehrheit für eine Koalition aus Unidos Podemos und Sozialisten vorher, wenn die Sozialisten denn wollen.

Doch Sánchez hält sich bedeckt. Er steht unter dem Druck der Regionalführer im Parteivorstand. Dieser beschloss nach den Wahlen im Dezember alles zu tun, damit Podemos nicht in eine Regierungskoalition kommt. Stattdessen ging die PSOE ein Bündnis mit Ciudadanos ein und scheiterte im Parlament. „Die Sozialisten müssen jetzt entscheiden, ob sie eine Regierung des Fortschritts wollen, oder eine Große Koalition mit der PP“, fordert Unidos Podemos Chef Iglesias eine eindeutige Aussage von Sánchez. Der bleibt diese schuldig.

Der Wahlkampf der Sozialisten richtet sich fast ausschließlich gegen Iglesias. Sánchez wirft ihm vor, mit dem Nein-Stimme zu einer Regierung aus PSOE und den Rechtsliberalen die Konservativen unterstützt zu haben. „Pedro, wir sind nicht der Gegner, der Gegner heisst Rajoy“, erklärt Iglesias immer wieder und bietet der PSOE eine Koalition an.

Iglesias inszeniert sich so erfolgreich zum Oppositionschef und einziger Alternative. Er wettert gegen die Korruption, verspricht eine Sozialpolitik, die den Krisenopfern zugute kommen soll und spricht damit eine breiten Teil der Bevölkerung an. 23 Prozent der Spanier sind ohne Arbeit, bei jungen Menschen sind es über 50 Prozent. Nur jeder zweite Arbeitslose bezieht Stütze. Über 22 Prozent der Spanier leben an oder unter der Armutsgrenze. Im Schul- und Bildungswesen wurden Milliarden gekürzt. PSOE und PP nahmen gemeinsam 2011 in einem Eilverfahren auf Druck aus Brüssel und Berlin einen Paragraphen in die Verfassung auf, der Schuldentilgung den Vorrang vor Sozialabgaben gibt. Viele Wähler haben dies den Sozialisten nicht verziehen und wählen deshalb Unidos Podemos.

Was bisher geschah: