Interview mit Juan Carlos Monedero (52), Autor und Politikprofessor an der Universität Complutense in Madrid und Mitbegründer von Podemos. Er gehört seit April nicht mehr dem Vorstand an. Und ist seither als freier Geist imUmfeld von Podemos unterwegs und widmet sich wieder dem Aufbau der Basisstrukturen.
Das Motto von Podemos lautet: Geboren um zu gewinnen. Sind Sie jetzt nicht etwas kurz gefallen?
Gewinnen ist nicht nur eine Frage der Zahl der Abgeordneten. Gewinnen hat für uns auch immer bedeutet, das Zweiparteiensystem zu besiegen. An die Regierung zu kommen ist natürlich immer eines der Ziel, aber das war von vornherein für eine Partei, die noch nicht einmal zwei Jahre alt ist und zum ersten Mal zu Parlamentswahlen antrat, sehr schwierig. Erstmals hat eine politische Kraft, die klar gegen die Austeritätspolitik auftritt 5,2 Millionen Stimmen erhalten. Das bedeutet die Rekonstruktion eines politischen Raumes, der einst die Linke war, und der jetzt aus unterschiedlichsten Richtungen neu besetzt wird. Das ist nicht zu unterschätzen.
Wie will Podemos von diesem Ergebnis den Weg in den Regierungspalast Moncloa schaffen, oder ist das nicht mehr das Ziel?
Das ist nach wie vor unser Fahrplan. Wir sind die einzig große Partei in Spanien, die eine Alternative zu der Austerität plant. Die PP und die PSOE sind sich in Brüssel immer einig, wenn es um Sparpolitik, um TTIP geht. Sie reformierten gemeinsam die Verfassung ,um der Schuldentilgung Vorrang vor den Sozialausgaben zu geben. Beide Parteien haben darauf verzichtet mit Brüssel bessere Bedingungen auszuhandeln. Wir sind die einzige echte Alternative. Wir müssen jetzt zweigleisig fahren: Zum einen gute Parlamentsarbeit, eine gute Oppositionsarbeit machen, die zeigt, das wir in der Lage sind wirklich Politik zu gestalten. Gleichzeitig müssen wir – und das ist für mich sehr wichtig – erneut die Arbeit auf den Straßen und Plätzen intensivieren, um zu erreichen, dass ein Teil der Bevölkerung umdenkt, der nach wie vor der Vergangenheit verhaftet ist. Die Wahlen haben gezeigt, dass Spanien in zwei Lager gespalten ist, zum einen das urbane, junge, gutgebildete Spanien und zum anderen das ländliche, ältere Spanien und Menschen ohne höhere Studien. Unser Ziel muss es sein auch diese Bevölkerung zu erreichen, damit aus 5,2 Millionen Stimmen zehn Millionen werden.
Höre ich da Kritik am Vorstand von Podemos heraus? Viele werfen der Partei vor, die Basis vernachlässigt zu haben und nur an die Wahlmaschinerie gedacht zu haben.
Nach der Bewegung der Empörten, dem 15M, gab es zwei Möglichkeiten. Die Empörung zu repräsentieren, oder die Empörung neu zu kanalisieren. Wir haben sie neu kanalisiert. Ein Teil der Empörung gilt nicht dem System als solches, sondern den Auswüchsen des Systems. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Hegemonie erlangen müssen. Dazu braucht es Verwaltungsapparate. Zum Beispiel ist es wichtig, dass die öffentlichen Fernsehen nicht länger Parteisender sind. Deshalb müssen wir bei den Wahlen erfolgreich sein. Aber all das nützt nichts, wenn wir den Kampf um die Kultur vernachlässigen.
Über 900.000 Stimmen gingen an die Vereinigte Linke – Volkseinheit (IU-UP) rund um die kommunistische Partei. Die meisten dieser Stimmen erbrachten nichts. War es ein Fehler nicht gemeinsam anzutreten?
Das glaube ich nicht. Wären wir auf einer gemeinsamen Liste angetreten, hätten wir nicht die gleichen Stimmen bekommen. Viele Leute hätten Podemos nicht gewählt, wenn wir, die IU-UP-Forderungen nach Bankenfinanzierung, einem Vertrag zwischen beiden Organisationen und bestimmten Namen unter unseren Kandidaten zugestimmt hätten. Viele davon stehen für die alte Politik. Was wir auf der einen Seite gewonnen hätten, hätten wir höchstwahrscheinlich auf der anderen verloren.
Wie lange wird die Legislatur dauern?
Ich glaube nicht viel mehr als 2,5 Jahre. Allerdings wäre ich da vorsichtig. Mit dem völlig offenen Panorama machen solche Spekulationen wenig Sinn. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass der junge König Felipe VI. eine Legitimität für seine Zeit auf dem Thron braucht. Das dürfen wir nicht vergessen, wenn wir über diese Legislatur reden. Sie könnten so etwas wie eine Große Koalition zwischen PP, PSOE und Ciudadano suchen, nicht in Form einer Regierung sondern als Pakt um die Verfassung zu reformieren. Dafür wären 2 bis 3 Jahre nötig. Eines ist jedoch allen klar: Es wird eine Übergangslegislatur sein.