Bei den Wahlen in Portugal am vergangenen Sonntag musste der konservative Ministerpräsident Pedro Passos Coelho eine schwere Schlappe einstecken. Zwar ist sein Bündnis „Portugal voran“ (PaF) mit 36,8 Prozent stärkste Kraft im neuen Parlament, doch mit 99 Abgeordneten ist das Bündnis aus Passos Coelho‘s konservativer Sozialdemokratische Partei (PSD) und der rechten CDS weit von der absoluten Mehrheit von 116 Sitzen entfernt. 2011, als beide Formationen getrennt antraten, erhielten sie zusammen knapp über 50 Prozent der Stimmen und 132 Sitze. Die PSD alleine erzielte damals mehr Stimmen und mehr Sitze als jetzt das Bündnis (PaF).
Nur dank der gemeinsamen Liste der beiden bisherigen Koalitionspartner PSD und CDS konnte Passos Coelho – der für die rigide Sparpolitik der letzten Jahre verantwortlich zeichnet – verhindern, auf Platz 2 abgedrängt zu werden. Dort liegt die Sozialistische Partei (PS) des Ex-Bürgermeisters von Lissabon, António Costa, mit 32,4 Prozent, knapp fünf Punkte mehr als vor vier Jahren.
Eigentlicher Sieger ist der Block der Linken (BE). Die linke Sammelbewegung konnte mit 10,2 Prozent das Ergebnis knapp verdoppeln. Erstmals überholte der BE das Wahlbündnis CDU aus orthodoxen Kommunisten und Grünen, das sich mit 8,2 Prozent mit Platz vier zufrieden geben muss. Ministerpräsident Passos Coelho sieht sich einem Parlament gegenüber, das mit über 60 Prozent von der bisherigen Opposition bestimmt wird.
Im Wahlkampf hatte Passos Coelho sich ganz als Musterschüler der Troika gegeben. Entweder er regiere weiter, oder Portugal würde im Chaos versinken, war das Hauptargument seiner Kampagne. Er versuchte die Sparpolitik, die er als Gegenleistung für ein 78 Milliarden-Euro-Rettungspaket durchführte, als Erfolg zu verkaufen.
Passos Coelho sprach viel von makroökonomischen Erfolgen. So soll Wirtschaft Portugals, das 2014 den Rettungsschirm verließ, 2015 erstmals seit drei Jahren wieder wachsen. Das Haushaltsdefizit werde – so die Prognosen – auf drei Prozent sinken. In einer zweiten Legislatur will Passos Coelho nun die Staatsverschuldung von rund 130 Prozent in den Griff bekommen.
Die Auswirkungen der Austerität sind verheerend. Die Arbeitslosigkeit stieg bis auf 18 Prozent, knapp 600.000 Menschen verloren ihren Arbeitsplatz, die Löhne sanken um rund 20 Prozent, die Steuern stiegen. Laut Gewerkschaften verdient jeder fünfte Erwerbstätige nur noch den Mindestlohn von 505 Euro. 27 Prozent leben an oder unter der Armutsgrenze.
Zwar liegt die Arbeitslosigkeit mittlerweile unter 13 Prozent. Doch dies geht nicht zuletzt darauf zurück, dass jährlich ein Prozent der Erwerbstätigen auswandert. Es sind meist junge Menschen. „Portugal verliert eine ganze Generation“, beklagten die Oppositionsparteien im Wahlkampf.
Dass die Sozialistische Partei (PS) davon nicht wirklich profitierte, liegt an deren unentschlossenen Haltung. Spitzenkandidat Costa stellte sich nicht gegen die Auflagen aus Brüssel, er will sie nur behutsamer umsetzen. Dies brachte vor allem für den Block der Linken (BE) Stimmen. Es gebe nur die Wahl zwischen „Austerität“ und „gemäßigtere Austerität“, hieß einer der Wahlkampfslogans.
Ausserdem macht den Sozialisten die Korruption zu schaffen. Der letzte sozialistische Ministerpräsident José Socrates soll sich im Amt bereichert haben. Nach mehrmonatiger Untersuchungshaft, sitzt er derzeit im Hausarrest, bis der Prozess beginnt.
Jetzt stellt sich die Frage nach einer stabilen Regierung. Eine Linksregierung der PS mit Unterstützung des BE und der CDU ist kaum zu erwarten. Zu unterschiedlich sind dazu die Positionen der drei Parteien bezüglich der Austerität. Und Sieger Passos Coelho braucht zumindest punktuell die Unterstützung der Sozialisten will er einer Blockade seiner Politik durch das Parlament entgehen. Costa scheint dem nicht völlig abgeneigt. Er werde das Land nicht unregierbar machen, versprach der PS-Chef noch am Wahlabend./Foto: Bloco
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Meine Meinung
Langsam, aber sicher
Das Ergebnis der Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag ist ideal für völlig entgegengesetzte Interpretationen. Ein Sieg für die rechten Autoren der Sparpolitik, jubeln die einen. Eine Sieg der Linken in Portugal, die anderen. Nur regieren lässt sich weder von rechts – dafür fehlt die absolute Mehrheit – noch von links. Denn dort will nicht zusammengehen, was rechnerisch zusammengehört. Denn der Block der Linken und das orthodox-kommunistisch/ grüne Wahlbündnis CDU lehnen die Sparpolitik rund herum ab. Die Sozialisten wollen eine moderate Auslegung der Austerität.
Es kann also auf eine Große Koalition der Konservativen mit den Sozialisten hinauslaufen – zumindest bei den wichtigen, von Berlin und der Troika diktierten Themen. Weiteres Sparen, weitere Privatisierungen und weitere Aufweichung des Arbeitsrechtes stehen auf deren Plan.
Doch trotz des Jubels der Lehrmeister aus Berlin und Brüssel, gibt es Hoffnung für diejenigen, die eine andere europäische Politik anstreben. In Griechenland regiert mit Syriza eine Partei, die einen europäischen Politikwechsel will. In Irland könne dies Sinn Fein Anfang kommenden Jahres nachmachen. Und in Spanien stehen am 20. Dezember ebenfalls Wahlen an. Ein Sieg der junge Anti-Austeritätspartei Podemos ist derzeit nicht wahrscheinlich, doch stark genug um Druck auszuüben, wird sie sein.
Ähnlich wie in Portugal wird eine Durchregieren damit auch in Spanien nicht mehr so einfach werden. Und die Sozialisten, ob in Portugal oder in Spanien werden mit Bedacht vorgehen, wenn es um weitere Sparauflagen geht. Eine große Koalition oder punktuelle Unterstützung der Rechten könnte die noch verbleibende Wählerschaft endgültig enttäuschen. PASOK in Griechenland hat vorgemacht wie schnell dies geht. Der Wechsel kommt langsamer als gedacht, aber aufzuhalten ist er wohl kaum.