© 2015 Reiner Wandler

Tödlicher ethnischer Konflikt

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Das Land der Mozabiten steht in Flammen. 22 Menschen verloren nach offiziellen Angaben der algerischen Behörden bei schweren Auseinandersetzungen zwischen der Minderheit der Mozabiten und der arabischen Mehrheit in der Wüstenstadt Ghardaia und umliegenden Gemeinden in der Nacht zum Mittwoch ihr Leben. Was mit Steinen und Molotowcocktails begann, artete in Schießereien aus. Die Polizei bekam die aufgebrachte Menschen viel zu spät unter Kontrolle. Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika rief einen Krisenstab zusammen.

„Das sind keine Zusammenstöße mehr, das ist Terrorismus“, beschwert sich ein Führer der Mozabiten gegenüber internationalen Presseagenturen. Arabische Banden hätten, so seine Angaben, die Zugänge zu den Vierteln der Mozabiten mit Waffengewalt besetzt. Vor den Schießereien wurden Häuser, Autos und Palmenhaine in Brand gesteckt. Es gärte bereits seit Tagen. Immer wieder kam es zu kleineren gewalttätigen Auseinandersetzungen, bis die Lage schließlich völlig ausser Kontrolle geriet.

Im Tal von Mzab – 600 Kilometer südlich der Hauptstadt Algier – das es mit seiner traditionellen Lehmbauarchitektur auf die Liste der Weltkulturerben der UNESCO gebracht hat, ist die Anspannung seit Jahren zu spüren. Die Mozabiten, ein Volksstamm mit eigener Kultur, Sprache und einem eigenen Verständnis der islamischen Religion sind durch die ständige Ansiedlung arabischstämmiger Bevölkerung in die Minderheit geraten. Alltägliche Reibereien wuchsen sich in den letzten Jahren zu einen handfesten Konflikt aus. Es geht dabei um Landbesitz, Zugang zum Wasser und um – so der Vorwurf der Mozabiten an die Regierung in Algier – die Benachteiligung der ursprünglichen Bewohner gegenüber den Neuansiedlern. So sollen die Behörden staatlichen Wohnraum sowie Arbeitsplätze gezielt an Araber vergeben. 2013 kam es zum ersten großen Ausbruch von Gewalt. Dabei wurde ein heiliger Schrein der Mozabiten zerstört. Seither ist die Region im permanenten Ausnahmezustand. Algier hat mittlerweile 8.000 Polizeibeamte im Mzab stationiert. Sie sollen – so die Vorwürfe seitens der Mozabiten – nur dann eingreifen, wenn es darum geht, die Araber zu verteidigen.

Bei der arabischen Bevölkerung handelt es sich um ehemalige Beduinenstämme, die nach der Unabhängigkeit Algeriens 1962 gezwungen wurden sesshaft zu werden. Die Behörden siedelten sie in den einzigen größere Gemeinden der Region – den fünf Städten im Mzab – an. Die dortige Bevölkerung lebt traditioneller Weise vom Handel. Die Familien leben im Tal, während die Männer überall in Nordafrika ihren Geschäften nachgehen.

Die offizielle Politik Algeriens erkennt Minderheiten nur bedingt an. Auch in anderen Gegenden, wie der Berberregion Kabylei im Norden des Landes, kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Bei rund einem Drittel der algerischen Bevölkerung handelt es sich um nichtarabische Minderheiten.

 

Präsident Bouteflika unterstellte die Region Mzab mittlerweile einen Militärkommandeur. Weitere Polizeieinheiten wurden entsandt. Diese werden „mit Härte gegen Gesetzesbrecher vorgehen“, heißt es. Die Mozabiten dürfte dies kaum beruhigen. Für sie sind die meist arabischstämmigen Polizisten und Soldaten Besatzer./Foto: Daggett.fr

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