© 2015 Reiner Wandler

Die unermüdliche Richterin

RWXP0467

Als Bertolt Brecht über die Unentbehrlichen schrieb, hatte er wohl Menschen wie Manuela Carmena im Sinn. Die pensionierte Richterin begann am Samstag mit stolzen 71 Jahren einen neuen Lebensabschnitt. Sie wird für die kommenden vier Jahre Spaniens Hautstadt Madrid regieren.

Carmenas berufliche und politische Laufbahn begann mitten in der Franco-Diktatur. In den 1960er Jahren studierte sie Jura in Madrid. Sie engagierte sich in der Studentenbewegung und schloss sich der verbotenen Kommunistischen Partei (PCE) an. Als Arbeitsrechlerin verteidigte die junge Anwältin Arbeiter, die mit dem harten Arbeitsregime der Diktatur in Konflikt gekommen waren.

Carmena gehörte zu einem Anwaltsbüro das 1977, etwas mehr als ein Jahr nach dem Tode Francos, von faschistischen Terroristen überfallen wurde. Fünf Anwälte wurden erschossen. Carmena hatte an jenem Tag ausserhalb des Büros zu tun. Das rettete ihr das Leben.

Nach ihrem Austritt aus der PCE begann sie 1981 eine Karriere als Richterin. Die Mitbegründerin des „Demokratischen Richterverbandes“ kämpfte gegen die Korruption in der Justiz, machte sich durch ihr Engagement für die Wiedereingliederung von Gefangenen einen Namen. Als erste Frau wurde sie Dekanin der Richter in Madrid und gehörte dem Rat der Justiz, der über die Unabhängigkeit der Gerichte wacht, an.

Die Mutter zweier Kinder arbeite für die UN als Sonderberichterstatterin der Arbeitsgruppe über willkürliche Haft der Vereinten Nationen und wurde mit dem spanischen Menschenrechtspreis ausgezeichnet.

Als Podemos zum Jahreswechsel auf Carmena zukam, um sie als Spitzenkandidatin für die geplante Bürgerliste Ahora Madrid – Jetzt Madrid – zu gewinnen, zögerte Carmena lange. Seit ihrer Pensionierung schreibt sie viel und unterhält einen Laden für Babykleidung, die von inhaftierten Frauen hergestellt wird. All das aufzugeben, fiel ihr schwer.

Letztendlich war es nicht die Hartnäckigkeit der Protestpartei, die Carmena dazu bewegte, sich auf das Abenteuer einzulassen. Es war der Film „Stein der Geduld“ des Franco-Afghanen Atiq Rahimi. Darin geht es um eine starke Frau, die nie aufgibt. Carmena war tief beeindruckt. Nach einer schlaflosen Nacht, griff sie zum Telefon und sagte zu.

Schnell wurde die ungewöhnliche Kandidatin zur Hoffnung vieler auf das Ende der konservativen Politik, die Madrid seit über 20 Jahren bestimmt. Und es gelang. Richterin Carmena bezwang die Chefin der hauptstädtischen Konservativen, Esperanza Aguirre, in deren engstem politischen Umfeld alle Fäden der Korruption in Madrid zusammenlaufen.

Was bisher geschah: