© 2015 Reiner Wandler

Krise und Gewalt

Die Bilder sind brutal. José Magalhaes verlässt mit seinem Vater, und seinen beiden Kindern am Sonntag das Stadion von Guimarães, in dem ihr Club Benfica Lissabon, so eben die Meisterschaft gewonnen hat. Im Stadion hatten sich die beiden rivalisierenden Fanblocks in den Haaren. Die Polizei hatte völlig versagt.

Ein Beamter geht auf Magalhaes zu, spricht ihn an. Ohne sichtlichen Grund stösst der Polizeibeamte – Chef der örtlichen Kriminalpolizei – den Mann um. Der Großvater wird ebenfalls weggeschupst. Mehrere Polizeibeamte prügeln wie besessen auf den am Boden liegen Magalhaes ein. Eines der beiden Kinder heult: „Mein Papa hat nichts getan.“ Drei Polizisten drängen den Kleinen ab. Die Prügelorgie geht weiter.

Das Video verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch die sozialen Netzwerke, wird im Fernsehen gezeigt. In Lissabon wird aus der Feier des Meistertitels eine Straßenschlacht. 26 Fans werden verhaftet, unzählige verletzt.

Im Netz entstehen mehrere Facebookseiten, die Ermittlungen gegen die Polizisten und den Rücktritt des Kriminalpolizisten Silva fordern. Portugal ist geschockt. Denn die Portugiesen halten sich für ein friedliches Völkchen und sind es eigentlich auch. Der Sturz der Diktatur 1974 ging gewaltfrei über die Bühne. Die Nelke und nicht die Gewehre wurden zu deren Symbol.

Selbst nachdem 2008 die Krise begann und Portugal 2011 unter den EU-Rettungsschirm schlupfte und seither mit aller Härte dem Troika-Spardiktat ausgesetzt ist, blieben die sich häufenden Proteste friedlich. Erst 2012 – nach einem Generalstreik – kam es erstmals zu schweren Zusammenstößen mit der Polizei. „Sie sagen von uns, dass wir alles aushalten. Aber das ist falsch“, erklärte damals ein aufgebrachter, älterer Herr gegenüber der Presse.

Dennoch sind ist auch weiterhin Gewalt eher die Ausnahme. Doch ein Blick in die Statistiken zeigt, die portugiesische Gesellschaft verroht. Die Gewalt an den Schulen nimmt zu, die Zahl der häuslichen Gewalt ebenfalls. Und Überfällen und Diebstählen enden immer öfter mit Verletzten oder gar mit Toten. Auch in den Stadien ist die Zahl der Angriffe auf Polizeibeamte seit 2010 um mehr als 70 Prozent gestiegen.

„All das verschärft sich in der Krise“, erklärte am Sonntag der Juraprofessor Marcelo Rebelo de Sousa im Fernsehen. Er war lange Vorsitzende der regierenden konservativen Sozialdemokratischen Partei (PSD), die für die Sparpolitik verantwortlich zeichnet, die Portugals Bevölkerung hat verarmen lassen, wie sonst nur die Griechen und Spanier.

Was bisher geschah: