© 2015 Reiner Wandler

Die neue Politik: 3 Gesichter

Ada Colau (links von Ansagerin) und Manuela Carmena (rchts von Ansagerin)

Vorstellung mehrerer Bürgerlisten in Madrid: Ada Colau (links der Moderatorin) und Manuela Carmena (rechts von ihr).

Die Rächerin der Geräumten

Ihre Bekanntheit verdankt Ada Colau einer Anhörung im spanischen Parlament. „Dieser Herr ist ein Verbrecher und als solchen sollten Sie ihn auch behandeln“, schimpfte die 41-jährige Gründerin der Vereinigung der Betroffenen der Wohnungskredite (PAH) gegen den Verttreter des Bankenverbandes. Colau gelangte in die Schlagzeilen und in die Fernsehnachrichten. Jetzt will die Aktivistin mit der Bürgerliste „Barcelona en común“ – „Barcelona gemeinsam“ – Bürgermeisterin der zweitgrößren spanischen Stadt werden. Sie führt seit Monaten die Umfragen an.

Die Idee der Bürgerlisten, wie sie in Tausenden von spanischen Städten und Gemeinden antreten, stammt von Colau. Vor einem Jahr forderte sie die Linke und die Zivilgesellschaft in Barcelona auf, sich zusammenzuschließen und hatte damit Erfolg.

Die Mutter eines kleinen Kindes, die ein abgebrochenes Philosphiestudium ihr eigen nennt, stammt aus einer „Familie der Mittelschicht, mit der es bergab ging“. Ihr politischer Werdegang führte sie von der Bewegung gegen den Irakkrieg, über die Hausbesetzerszene zur Bewegung für „menschenwürdiges Wohnen“ aus der schließlich die PAH, die Vereinigung gegen Zwangsräumungen, entstand. Die PAH sammelte 1,4 Millionen Unterschriften für ein Gesetz, das einen Schuldenerlass vorsah, sobald eine Familie die Wohnung an die Bank zurückgibt. Die Konservativen blockierten dies im Parlament. Wer geräumt wird bekommt nur den derzeitigen Marktwert angerechnet. Den Rest des völlig überhöhte Preises aus Zeiten der Spekultaionsblase muss weiterhin abbezahlt werden.

Als Bürgermeisterin will Colau alles tun, um Zwangsräumungen zu verhindern. Sollte dies nicht gelingen, verspricht sie gemeindeeigene Wohnungen, damit die Betroffenen nicht wie bisher einfach auf der Straße landen.

 

Die Richterin im Herzen der Korruption

Eine 71-jährige, pensionierte Richterin bringt die hauptstädtische Politiklandschaft durcheinander. Manuela Carmena ist die Spitzenkandidatin der Bürgerliste „Ahora Madrid“ – „Jetzt Madrid“. Sie zieht durch alle Stadtteile. Statt großer Wahlkampfreden, diskutiert sie mit den Menschen, hört die Sorgen und Nöte, sucht nach Antworten. Am kommenden Sonntag will Carmena der konservative Anwärterin auf das Bürgermeisteramt, der regionalen Vorsitzenden der Volkspartei (PP) und ehemalige Landesmutter der Region Madrid, Esperanza Aguirre, den Weg ins Rathaus verbauen. Laut Umfragen könnte dies gelingen, wenn auch knapp.

Es ist ein symbolträchtiger Kampf zwischen einer bescheidenen Rentnerin und einer Adligen. Es geht um Gerechtigkeit gegen Korruption. Gegen fast alle engen Vertrauten von Aguirre wird ermittelt. Als sie in der Region regierte, waren Madrid und die umliegenden Dörfer das Herzstück des Korruptionsgeflechts rund um die PP.

Carmena ist eine Vorreiterin im spanischen Justizwesen. Mit 33, kurz nach Ende der Franco-Diktatur, gehörte sie einer Kanzlei von Arbeitsrechtlern in Madrid an. Fünf ihrer Kollegen wurden bei einem faschistischen Überfall erschossen. Mit 45 wurde sie Haftrichterin. Als erste setzte sie auf Maßnahmen der sozialen Wiedereingliederung, nahm Psychologen in ihr Team auf, führte Drogentherapien ein und kämpfte gegen die Korruption unter der Gefängnisbeamten. Sie war Dekan der Richter in Madrid, Mitglied des staatlichen Richterrates, Berichterstatterin für Menschenrechte der Vereinten Nationen. Heute unterhält sie einen kleinen Laden für Babykleidung die von inhaftierten Frauen hergestellt wird.

Wenn sie im Wahlkampf begeistert als „Bürgermeisterin!“ gefeiert wird, bleibt Carmena ruhig. „Bürgermeister werdet ihr alle sein. Ich fordere Euch heraus. Ihr kommt mir nicht so einfach davon“, fordert sie Bürgerbeteiligung für das künftige Madrid ein.

Pablo EcheniqueWo er auftaucht wird er von der Presse umringt: Pablo Echenique 

Der Teufel auf Rädern

Pablo Echenique ist einer der fünf, die vor einem Jahr überraschend für Podemos ins Europaparlament einzogen. Der 36-jährige Doktor der Physik und Forscher an einem Institut der Universität Zaragoza, kam mit 13 Jahren aus Argentinien nach Spanien. Jetzt will er in seiner Wahlheimat Aragonien Chef der Regionalregierung werden. Die Umfragen stehen gut für den jungen Mann, der seit Jahren als Blogger auf sich aufmerksam machte. Podemos liefert sich ein erbittertes Kopf-an-Kopf-Rennen mit der bisher regierenden, konservativen Volkspartei (PP) und liegt vor der sozialistischen PSOE.

Es wäre ein Sieg für einen ungewöhnlichen Politiker. Echenique leidet unter Muskelschwund und sitzt in einem elektrischen Rollstuhl. „Ich habe wenig Kraft“, beschreibt er seinen Zustand. Für die Rhetorik gilt das nicht. Klar und deutlich klagt er die Zustände in seiner Region an. Korruption, Privatisierung in Bildungs- und Gesundheitswesen, die Zwangsräumung von Krisenopfern, Armut und Sozialkürzungen.

Unermüdlich zieht Echenique durch sein Aragonien, dort wo die spanische Hochebene endet und die Pyrenäen beginnen. Überall stehen seit den 1960ern ganze Dörfer leer. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt in der Hauptstadt Zaragoza. Echenique verspricht ein anderes Wirtschaftsmodell. Weg vom Bau, der mit einer Spekulationsblase auch Aragonien in die Krise gerissen hat, hin zu einer nachhaltigen Entwicklung, die es wieder ermöglicht auf dem Lande zu leben.

Nicht nur im Wahlkampf, auch innerparteilich liebt „der andere Pablo“ die Diskussion und stellt sich gerne gegen die Mehrheitslinie von Podemosgründer Pablo Iglesias. Echenique führt eine Strömung an, die auf noch mehr Basisnähe besteht. „Teufel auf Rädern“, nannte Iglesias seinen Kollegen aus jenem Kreis der ersten Stunde einmal. Der Ton lag irgendwo zwischen leicht genervt und doch voller Anerkennung.

Was bisher geschah: