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Der (Finanz-)Ingenieur

socratesZum Schluss hat es José Sócrates wohl doch übertrieben. Der 57-jährige, ehemalige sozialistische Ministerpräsident Portugals (2005-2001) wurde am Samstag auf dem Flughafen in Lissabon verhaftet. Gegen ihn wird wegen Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Korruption ermittelt. Die Justiz will unter anderem wissen, woher die drei Millionen Euro für ein Luxusapartment in Paris kommen, in dem Sócrates seit 2011 lebt. Der geschiedene Vater zweier Kinder studierte dort Politikwissenschaften. Neben dem Apartment soll er ein Vermögen von weiteren 20 Millionen Euro sein Eigen nennen, so die Presse. Deutlich zu viel für einen Ingenieur, der sich sein Leben lang der Politik gewidmet hat.

In Porto geboren und in Covilha im Landesinneren aufgewachsen, trat er mit 16 Jahren, kurz nach der Nelkenrevolution, der Sozialistischen Jugend bei. 1987 wurde er ins Parlament gewählt, 1997 wurde er erstmals Minister, damals für Umwelt. 2005 gewann er für seine Sozialistische Partei die Parlamentswahlen mit absoluter Mehrheit. 2009 gelingt ihm erneut der Sieg, wenn auch nur mit knappem Vorsprung. 2011, als seine Sparpolitik an der Abstufung durch die Ratingagenturen scheitert und Portugal unter den Rettungsschirm der EU muss, tritt Sócrates ab.

Sócrates, der Abtreibung freigab und die Homoehe einführte, erließ zwei Steueramnestien 2005 und 2009. Wer große Mengen hinterzogenen Geldes aus dem Ausland zurückbrachte, musste nur 5 statt knapp 50 Prozent Steuern zahlen. Von beiden Amnestien profitierte Ministerpräsident Sócrates selbst. Er soll zwischen drei Millionen und 20 Millionen Euro legalisiert haben.

Woher das Geld stammt ist nicht klar. Mehrmals war Sócrates in Ermittlungen wegen Korruption verstrickt. So wurde ein Outlet-Zentrum in Lissabon in einem geschützten Gebiet am Fluss Tejo genehmigt als Sócrates Umweltminister war. Der Fall verjährte, bevor die Richter fertig ermittelt hatten.

In einem anderen Korruptionsfall vernichtete ein Informatikfehler bei einem Tochterunternehmen der ehemaligen staatlichen Telefongesellschaft alle Daten, darunter Telefongespräche zwischen Sócrates und einem seiner Minister, der für fünf Jahre hinter Gitter musste.

Sócrates sieht sich gerne als Opfer „politischer Verfolgung“ und verklagte mehrere Journalisten. Bis zu seiner Verhaftung war er als Kandidat für das Amt des Präsidenten der Republik im Gespräch. Jetzt dürfte der Traum von der Rückkehr in die Politik wohl endgültig ausgeträumt sein./Foto: RTPPT

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