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Kranker Präsident will weitermachen

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©Dilem, Liberté, 27.3.14

Es ist ein skurriler Wahlkampf, den der alte – und wohl auch neue – Präsident Algeriens führt. Der 77-jährige Abdelaziz Bouteflika, der seit 1999 an der Spitze des nordafrikanischen Landes steht, hatte vor knapp einem Jahr einen Schlaganfall. 80 Tage war er in Paris im Krankenhaus. Seither sitzt er im Rollstuhl, stark eingeschränkt in seinen Bewegungen und unfähig Reden zu halten. Deshalb zieht nicht er durchs Land, um für seine vierte Amtszeit zu werben. Er hat ein ganzes Team aus ehemaligen Premierministern und Generalsekretären der einstigen Einheitspartei, der Nationalen Befreiungsfront (FLN), und deren Abspaltung Nationale Demokratische Versammlung (RND), die das für ihn tun. Sie halten patriotische Reden und zeigen dabei immer wieder auf das überdimensionale Foto ihres Chefs an der Wand hinter sich.

„Der abwesende Kandidat“ wird Bouteflika von einem Großteil der Presse nur genannt. Doch kaum jemand zweifelt daran, dass der gesundheitlich Angeschlagene am 17. April einmal mehr die Wahlen gewinnt. Er hat fast den gesamte Staatsapparat und die Armee hinter sich. Das hat in Algerien bisher immer gereicht. „Die Schwierigkeiten, die mit meiner derzeitigen, physischen Gesundheit zu tun haben, scheinen mich in euren Augen nicht zu disqualifizieren“, bedankt sich Bouteflika bereits zu Beginn des Wahlkampfes in einem Schreiben an das algerische Volk.

Der einzige ernstzunehmende Herausforderer ist Ali Benflis. Der ehemalige Wahlkampfleiter Bouteflikas (1999), Premier (2000–2003) und Generalsekretär der FLN (2001-2004) versuchte bereits 2004 seinen einstigen Chef zu schlagen. Er erzielte damals gerade einmal 6,4 Prozent der Stimmen und beschuldigte den Staatsapparat des Wahlbetruges.

„Man hat erneut alles für den massiven Betrug vorbereitet, doch die algerische Gesellschaft hat sich weiterentwickelt und ich bin darauf vorbereitet Widerstand zu leisten“, erklärt der 69-jährige Benflis. Während Bouteflikas Team immer wieder auf die dessen großen Verdienst, die Aussöhnung nach einem Bürgerkrieg zwischen Islamisten und Armee mit bis zu 200.000 Toten, verweisen, gibt sich Benflis als Kandidat des Wandels. Er werde die Verfassung ändern, das Land in eine echte Demokratie führen.

Nur so recht abkaufen will ihm das keiner. Zulange gehörte Benflis selbst dem Apparat aus den Reihen der FLN an, um jetzt als „unabhängig“ durchzugehen. Ein bedeutender Teil des politische Spektrums boykottiert den Urnenegang. Sowohl die Islamisten, als auch die wichtigsten Parteien der säkularen Opposition stellen weder einen Kandidaten noch rufen sie ihre Anhänger zur Wahl. Es sei eh längst alles ausgemacht, sind sie sich einig.

Trotz des überall spürbaren Unbehagens mit der Idee, den kranken Bouteflika für eine vierte Amtszeit im Präsidentenpalast zu sehen, regen sich nur zaghaft Proteste. In Algier treffe sich immer wieder kleine Gruppen vor der Universität und schreien „Es reicht jetzt!“, bevor sie von der Polizei vertrieben werden. Trotz angespannter soziale Lage, an der auch das Erdölreichtum nur wenig geändert hat, herrscht in Algerien Angst. Jeder Wandel war bisher mit Gewalt verbunden. Das prägt.

Nur in Bejaia, einer der beiden großen Städte in der Kabylei, der Region der Berberminderheit, musste Bouteflikas Wahlkampfleiter Abdelmalek Sellal am vergangenen Samstag eines seiner Meetings „aus Sicherheitsgründen“ absagen. Demonstranten hatten kurzerhand den Saal in Brand gesteckt.

Warum erneut Bouteflika, fragen sich viele. Auf der Suche nach einer Antwort fallen Kürzel wie ANP, DRS oder FLN. Nur die letzteren bezeichnen eine Partei. Die anderen beiden stehen für die Nationale Volksarmee und den Inlandsgeheimdienst. Deren Generäle stehen seit der Unabhängigkeit von Frankreich 1962 für die Macht im Hintergrund. Nichts geschieht, ohne dass sie ihre Finger im Spiel haben. So wohl auch dieses Mal.

Bouteflika hat es in seinen 15 Jahren geschafft, die Armeespitze mit Männern seines Vertrauens zu besetzen. Nicht so den Geheimdienst. Der dortige General Mohamed Médiene sprach sich immer wieder gegen eine vierte Amtszeit Bouteflikas aus. Seit Jahren kämpft er gegen den Clan rund um den Präsidenten, der unter der Führung des jüngeren Bruders Said Bouteflika fast die gesamte Macht im seinen Händen hält. Korruptionsaffären verschiedener Minister und von Said Bouteflika selbst, sollen – da ist sich Algeriens Presse einig – auf gezielt gestreute Information aus Médiene’s DRS zurückgehen.

Bei aller Machtfülle hat Bouteflika’s Clan wohl eines vergessen. Die Suche nach einem Nachfolger, auf den sich alle in der FLN, der RND und der Armee einigen können. Genau deshalb muss der kranke Präsident wohl weitermachen. Alles deutet darauf hin, dass schon bald nach der Wahl die Verfassung reformiert werden soll. Dabei soll das Amt des Premierministers gestärkt werden und Bouteflika einen Vizepräsidenten an seiner Seite bekommen. Die Machtübergabe kann dann innerhalb des Apparates ausgehandelt werden, egal wie krank der Präsident ist.

Was bisher geschah: