© 2014 Reiner Wandler

Ein klares „Nein“

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Es war ein klares „Nein“ mit dem am Dienstag kurz vor Mitternacht die Debatte im spanischen Parlament über eine mögliche Volksabstimmung für die Unabhängigkeit Kataloniens endete. 86 Prozent der Abgeordneten stimmten gegen den Antrag, den drei Vertreter des Regionalparlamentes aus der nordost-spanischen Autonomie nach Madrid gebracht hatten. Die Vertreter der in Katalonien regierenden konservativen Nationalisten von Convergència i Unió (CiU), der separatistischen Republikanischen Linken (ERC) und der ökosozialistischen Initiative für Katalonien/ Die Grünen (ICV) wollten erreichen, dass die Zentralregierung das Recht einen Volksentscheid abzuhalten, an die Autonomieregierung delegiert.

Die Verfassung ließe das nicht zu, denn „das Recht über die Zukunft zu entscheiden, hat das gesamte spanische Volk und nicht ein Teil davon“, gab der mit absoluter Merheit regierende, konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy der Anfrage eine Abfuhr. Die Kompetenz, Volksabstimmungen abzuhalten sei laut Grundgesetz deshalb nicht delegierbar. Daran könnten auch Demonstrationen nichts ändern, fügte er hinzu.

„Als Präsident bin ich verpflichtet, das Gesetz zu respektieren. Bitten Sie mich nicht, das nicht zu tun. Bitten Sie mich um etwas anderes“, antwortete Rajoy und fügte dann hinzu: „Ich glaube mehr an Katalonien als Sie. Ich liebe Katalonien wie etwas Eigenes“, richtete er sich an die angereisten Katalanen. Diese wollten ihre Heimat mit der Unabhängigkeit zu so etwas wie „die Insel von Robinson Crusoe“ machen.

In den letzten Jahren wächst die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien ständig. Angeführt wird sie von einer Bürgerinitiative unter dm Namen Katalsnischen Nationalversammlung (ANC). In mehr als der Hälfte der Dörfer und Städte der Region wurden symbolische Volksabstimmungen über die Unabhängigkeit abgehalten. Am katalanischen Nationalfeiertag 2011, dem 11. September, gingen in Barcelona weit über eine Million der 7,5 Millionen Katalanen für die Loslösung von Spanien auf die Straße. Ein Jahr später bildete sich eine Menschenkette durchs ganze Land. Unter diesem Druck hat die Autonomieregierung eine Volksabstimmung für den 9. November diesen Jahres angesetzt. Genau dafür wollten die drei Angereisten die Zustimmung aus Madrid.

Auch der Sprecher der Sozialisten, Alfredo Pérez Rubalcaba, erteilte dem Anliegen der Katalanen eine klare Absage. „Das Gesetz zu beachten ist das oberste demokratische Prinzip“, lautete sein Argument. „Spanien ohne Katalonien ist etwas anderes, Spanien ist es dann auf jedenfalls nicht mehr“, warnte er. Er bot den Politikern aus der wirtschaftsstarken Region einen Dialog an, um gemeinsam die spanische Verfassung föderaler zu machen.

Die drei Angereisten waren auf das „Nein“ vorbereitet. Abzustimmen sei „einfach, rechtmässig und verfassungskonform“, erklärte die ERC-Vertreterin Marta Rovira. Die Abstimmung sei die Hoffnung Kataloniens. „Niemand, kann uns diese nehmen, auch Sie nicht. Wir werden wählen, und wir werden die Zukunft gewinnen“, beteuerte sie. „Es scheint immer unmöglich, bis es getan ist“ zitierte der CiU-Vertreter Jordi Turull einen Satz, der Nelson Mandela zugeschrieben wird. Es gäbe keinen Weg zurück. Der Konflikt habe zwei mögliche Lösungen, eine demokratische und eine autoritäre“, sagte der Sprecher der ICV Joan Herrera. Die autoritären Lösungen „sind nicht von langer Dauer, wenn es eine gesellschaftliche Mehrheit für die Volksbefragung gibt“, warnte der Ökosozialist.

Kaum war die Abstimmung in Madrid vorbei, trat in Barcelona der Chef der katalanischen Autonomieregierung Artur Mas vor die Presse. Die katalanischen Institutionen würden „einen legalen Rahmen suchen, um die Abstimmung durchzuführen“, erklärte er. Mehre Szenarien sind denkbar. Zum einen arbeitet die Regierung Mas in Abstimmung mit der ANC an einem katalanischen Gesetz für eine Volksbefragung. Sollte dieses – wie zu erwarten – vom spanischen Verfassungsgericht gekippt werden, könnte Mas vorgezogene Neuwahlen ausrufen. Die nationalistischen Parteien würden dann nur mit dem Programmpunkt „Unabhängigkeit für Katalonien“ antreten. Erhalten sie den Mehrheit wäre dies der erste Schritt zur einseitigen Loslösung von Spanien./Foto: ANC

 

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Meine Meinung

Ein zweckloses „Nein“

 Was lange währt, wird nicht unbedingt gut. Dies sollten die beiden großen Parteien Spaniens, die regierende Partido Popular und die sozialistische PSOE, bedenken. Zusammen stimmten sie den Wunsch der Mehrheit des katalanischen Autonomieparlamentes, Madrid möge der Region im Nordosten Spaniens das Recht auf eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit einräumen, nieder. 86 Prozent der Volksvertreter im spanischen Parlaments bekamen sie hinter ihr Nein unter Berufung auf die Verfassung. Nur nutzen wird es vermutlich wenig.

Denn die katalanische Unabhängigkeitsbewegung wird zusammen mit der dortigen Autonomieregierung nach Wegen und Möglichkeit suchen, die Bürger über die Zukunft der Region zu befragen. Früher oder später wird dies gelingen, denn der Ruf nach einer solchen Abstimmung ist längst mehrheitsfähig.

Ob diese dann für oder gegen eine Loslösung von Spanien ausgeht, darüber streiten sich die Umfrageinstitute. Doch eines scheint klar. Die Zeit arbeitet für die Nationalisten. Jedes „Nein“ aus Madrid ist eine schallende Ohrfeige für die Katalanen und stärkt so den Wunsch nach Unabhängigkeit.

In Zeiten, in denen die Politik in der Hauptstadt dem Diktat aus Brüssel und Berlin folgt, und trotz zunehmender Massenproteste ein bitterer Einschnitt nach dem andern ins Sozialwesen vorgenommen wird, hat die Zentralregierung längst jegliches Prestige verloren. Regierungschef Rajoy redet vom Respekt vor dem Gesetz, während er selbst verdächtigt wird, Schwarzgeld aus illegalen Parteispenden bezogen zu haben. Dies ist nur einer von Hunderten von Korruptionsvorwürfen überall im Lande.

Wenn jetzt auch noch die Verfassung als unabänderliches Hindernis für eine Volksabstimmung hingestellt wird, wollen und können das viele nicht verstehen. Denn ebenfalls auf Druck aus Brüssel wurde 2011 von den beiden großen Parteien eben jene Magna Carta im Schnellverfahren geändert, um eine Schuldenbremse hineinzuschreiben. Warum eine Reform zugunsten einer Volksabstimmung nicht möglich sein soll, ist deshalb eine durchaus berechtigte Frage.

Was bisher geschah: