© 2014 Reiner Wandler

Erholung – Fehlanzeige

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„Spanien hat den Schützengraben der Krise verlassen und kämpft jetzt um den erneuten Aufschwung“, verkündet der Chef der konservativen Regierung Mariano Rajoy seit Wochen immer wieder. Und jetzt das: Das südeuropäische Krisenland rutscht erstmals seit 2009 erneut in die Deflation. Dies gab vor dem Wochenende das Nationale Statistische Amt bekannt. Die Preise sanken im März um 0,2 Prozent. Spanien kämpft schon länger gegen die Deflation an. Seit vergangenen Herbst liegt die Inflation nie bei mehr als 0,5 Prozent. Die viertgrößte Euro-Volkswirtschaft sorgt damit erneut für Kopfschmerzen in Brüssel. Denn die Deflation droht die Investitionen zum Erliegen zu bringen.

Einen Aufschwung, wenn auch noch so zaghaft – wie ihn die Konservativen angesichts der bevorstehenden Europawahlen den Spaniern verkaufen wollen – wird es dann nicht geben. Vor allem die Preise für Lebensmittel sind eingebrochen. Der Verbraucher hat weniger Geld und kauft deshalb preisbewusster. Die Supermärkte unterbieten sich, um die Kundschaft anzuziehen.

Von Aufschwung kann bei den Familien keine Rede sein. Die Haushaltseinkommen sind seit Beginn der Krise um rund zehn Prozent zurückgegangen. Wer im Öffentlichen Dienst arbeitet, muss auf fünf bis zehn Prozent seines Gehaltes, sowie auf Weihnachtsgeld verzichten. Die Renten werden nicht mehr angepasst.

Die Arbeitslosigkeit liegt weiterhin bei 26 Prozent. Rund 40 Prozent der Arbeitslose erhalten mittlerweile keinerlei Bezüge mehr. Zulange sind sie schon ohne Job. Sieben Millionen der 46 Millionen Spanier haben nicht genug Einkommen, um im Winter ordentlich zu heizen. „Energiearmut“ heißt das Schlagwort, dass diesen Winter die Runde macht.

Die faulen Kredite nehmen weiterhin zu. 184 Wohnungen und andere Immobilien wurden 2013 täglich richterlich zwangsgeräumt. Die Betroffenen verlieren ihre Wohnung, die Schulden bleiben. Denn die Bank nimmt die Immobilie zum jetzigen Marktpreis zurück. Und der liegt mehr als 30 Prozent unter dem was die Wohnungen vor der Krise kosteten. Tendenz weiter sinkend.

Der Optimismus der Regierung stützt sich vor allem auf den steigenden Export. Dieser verzeichnete ein Plus von 5,2 Prozent 2013. Spanien ist damit nach Deutschland die Nummer 2, was den Verkauf von Produkten im Ausland angeht. „Spanien entwickelt sich nach und nach zu einem Low-Cost-Land“, urteilt sich der Vorsitzenden der Gewerkschaft CCOO, Ignacio Fernández Toxo. Denn der Erfolg im Aussenhandel geht auf sinkende Löhne zurück. Seit Beginn der Krise 2007 stiegen die Löhne knapp 9 Prozent, die Inflation liegt bei 13,5 Prozent. Eine Arbeitsmarktreform ermöglicht es Unternehmern Löhne und Arbeitsbedingungen zu senken. Der Kaufkraftverlust senkt die Produktionskosten, lässt aber auch die Binnennachfrage zurückgehen. Die Gewerkschaften gehen davon aus, dass es mindestens 10 bis 15 Jahre dauern wird, bis Spanien wieder das Vorkrisenniveau erreicht.

Auch die Makroökonomie ist weit davon entfernt, sich zu erholen. Das Haushaltsdefizit lag 2013 mit 6,6 Prozent über den mit der Troika vereinbarten 6,5 Prozent. Die Staatsverschuldung ist von 40 Prozent des BIPs vor der Krise auf stolze 94 Prozent Ende 2013 gestiegen. Das liegt zum Großteil an den hohen Zinsen auf den internationalen Märkten sowie an der Bankenrettung. Dazu nahm die konservative Regierung aus dem Brüsseler Euro-Rettungsfond 40 Milliarden Euro auf.

Jetzt sollen auch Autobahnen mit öffentlichen Geldern gerettet werden. Mit über vier Milliarden Euro will die Regierung die Mautstraßen in Madrid und am Mittelmeer „renationalisieren“. Sie wurden in den Jahren des Booms von großen Baukonzernen gebaut. Jetzt in der Krise werden sie kaum von den Spaniern genutzt. Die Mauteinnahmen decken die Zinsen nicht mehr. Der Staat will die Straßen retten, damit die Gläubigerbanken nicht erneut in die Krise geraten.

Ausgerechnet die kirchliche Caritas kritisiert diese Politik der Konservativen. Nach einer neuesten Studie ist Spanien gleich nach Rumänien das europäische Land mit der höchsten Kinderarmut. Und 700.000 Haushalte haben keinerlei Einkommen. „Mit 2,6 Milliarden Euro könnte diese Situation behoben werden. Das ist deutlich weniger, als die Rettung der Autobahnen kostet“, beschwert sich ein Caritas-Sprecher. Dies sei die Logik einer „zentralen Planwirtschaft“, entgegnet Finanzminister Cristóbal Montoro. Caritas provoziere „eine Debatte , die mit der Realität eines Spaniens, das die Krise überwindet nicht zu tun hat“.

Was bisher geschah: