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Blackphone wählt die Schweiz

Javier Agüera hat ein Ziel: „Wir wollen den Benutzern die Möglichkeit geben, die Kontrolle über ihre Datn und ihre Privatsphäre zurückzugewinnen“, erklärt der Chef der spanischen Handy-Schmiede Geeksphone. Zusammen mit Silent Circle, einem Software-Entwickler in Washington DC und London, der sich seit Jahren mit der Verschlüsselung von Kommunikationen beschäftigt, hat Geeksphone ein Joint Venture ins Leben gerufen. Blackphone heißt das neue Unternehmen und Blackphone heißt das Produkt.

Es soll ein Handy werden „bei dem alle Kommunikationen verschlüsselt ablaufen und der Verbraucher gewarnt wird, sobald seine persönlichen Daten Gefahr laufen, ausgespäht zu werden“. Als Standort haben sich die beiden Partner Geeksphone und Silent Circle die Schweiz ausgesucht. Im Blackphone-Sitz Genf arbeiten vier Mitarbeiter an dem Apparat, der am 24. Februar auf dem Mobile World Congress (MWC) in Barcelona vorgestellt wurde.

„Juristisches Exil“, nennt Agüera die Entscheidung in die Schweiz zu gehen. Die Alpenrepublik habe nicht nur gute Bedingungen für neue, junge Unternehmen sondern „sie ist ein neutrales Land“ und verfügt „mit über die beste Datenschutzbestimmungen weltweit“. Das sorge zum einen für Stabilität und zum anderen für Sicherheit. Beides brauche ein Unternehmen wie Blackphone. Denn bei der verschlüsselten Kommunikation liegt zwischen Sender und Empfänger ein Server von Silent Circle. Diesen betreibt ein Hosting-Unternehmen in der Schweiz. Den Namen will Agüera nicht nennen.

„Fast alle Unternehmen, die auf den Schutz ihrer Daten höchsten Wert legen, betreiben ihre Server in der Schweiz. Es ist dort sehr unwahrscheinlich, dass jemand an unsere Tür klopft, und die Daten verlangt“, sagt Agüera und denkt dabei an die Skandale in den USA, die durch die Enthüllungen des ehemaligen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden ausgelöst wurden. „Doch selbst wenn dies geschehen würde, könnten wir ihnen so gut wie nichts geben“, fügt der Student der Telekommunikationstechnik hinzu. Denn auf den Servern selbst sei wenig mehr als der Benutzername, mit dem sich die Kunden einloggen, gespeichert. Und der Schlüssel für den Code liegt bei jedem Benutzer selbst.

Das neue Handy wird ein Apparat der gehobenen Klasse sein und preislich unter dem Galaxy S3 und dem iPhone 5S liegen. Es läuft auf der Basis eines weiterentwickelten Android – dem PrivateOS. „Darüber legen wir unsere eigene Sicherheitssoftware und die Kommunikation von Silent Circle“, beschreibt Agüera „das erste mobile Telefon, mit hohen Sicherheitsstandards für den normalen Endverbraucher.“ Alles was bisher auf dem Markt ist, richtet sich an spezielle Kunden, wie Militärs oder hohe Politiker. „Diese Apparate sind für normale sicherheitsbewusste Menschen nicht bezahlbar und sie lassen auch nicht alles zu, was der normale User so tun will. Du kannst dir mit einem Blackphone durchaus Spiele von irgendeinem Server in China herunterladen. Das Blackphone wird Dir sagen, dass dies nicht gerade die beste Idee ist, aber Du kannst weitermachen“, fügt er hinzu.

Agüera, der derzeit zwischen Madrid und dem Silicon Valley in Kalifornien pendelt, ist gerade einmal 22 Jahre. Mit nur 17 Jahren gründete der Sohn eines Arztes Geeksphone und machte schnell von sich reden. 2009 baute das Startup das erste Android-Phone in Europa. Kurz darauf brachten die Madrider das erste freie Android-Handy für unter 200 Euro auf den Markt. Und im vergangenen Jahr entwickelte Unternehmer Agüera mit der Stiftung Mozilla das erste Firefox-Phone weltweit und machte sich damit endgültig international einen Namen. Agüera und Geeksphone sind weitaus flexibler, als die großen Handy-Produzenten. Für ein internationales Team wie Silent Circle sind die Madrilenen deshalb die idealen Partner.

Auch wenn es schwerfällt, sich den jungen Agüera vorzustellen, wie er mit großen chinesischen Fabrikanten verhandelt, er hat wohl tatsächlich ein Gespür fürs Geschäft. “Wir haben ja was zu bieten. Mit Android waren wir ganz am Anfang mit dabei, das interessierte damals den chinesischen Fabrikanten Foxconn. Mit den Firefox-Modellen gingen wir zum Fabrikanten, der auch für Motorola arbeitet und wir hatten wieder Erfolg. Auch sie waren an der neuen Technik interessiert”, sagt Agüera. Die Kontakte kommen ihm jetzt zu gute. Das Blackphone wird einmal mehr in China und in Taiwan produziert, „unter strenger Aufsicht unsererseits“.

Auch wenn das Blackphone dieser Tage in der Presse oft mit den Snowden-Enthüllungen in Zusammenhang gebracht und gar als Anti-NSA-Phone bezeichnet wird, ist die Idee dafür älter. „Es geht uns nicht um Leute, die sich vor den Geheimdiensten verstecken wollen. Die haben sicher nicht immer die besten Motive“, sagt Agüera. Es gehe vielmehr um den Alltag. In den USA sei es mittlerweile üblich, dass Geschäfte Daten über die Telefone ihrer Kunden sammeln. „Das geschieht mit speziellen Antennen. Ist bei einem Telefon das Wifi eingeschaltet, wird es erfasst. Der Ladenbesitzer kann sofort sehen, wo der Kunde zuvor war und wie lange er sich dort aufgehalten hat“, beschreibt Agüera eine der Techniken, die den Handy-Benutzer ständig ausspioniert, um ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen.

Das Blackphone soll ständig neuen Sicherheitsbedürfnissen angepasst werden. Noch betreuen die Zentralen der beiden Blackphonegesellschafter Geeksphone in Madrid und Silent Circle in Washington und London Entwicklung, Marketing und Verkauf. „Doch wir sind nicht in die Schweiz gekommen, um hier einmal im Jahr Steuern zu zahlen“, beteuert Agüera. Nach und nach soll mehr Infrastruktur in die Schweiz verlegt werden. „Wir gehen davon aus, dass wir unsere Mannschaft in Genf schon bald ausbauen werden“, erklärt Agüera. Blackphone will in der Schweiz auch das akademische Umfeld nutzen: „Es gibt dort eine ganze Reihe namhafter Universitäten, wie zum Beispiel die École Polytechnique Fédérale de Lausanne, die an Sicherheitsfragen und Datenschutz forschen, mit denen wir gerne zusammenarbeiten würden.“

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