© 2014 Reiner Wandler

Ende der universellen Gerechtigkeit

Spaniens konservative Regierung will die Verfolgung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit einstellen. Das bisher in spanischen Strafgesetz gültige Weltrechtsprinzip soll weitgehend eingeschränkt werden. Künftig sollen nur noch solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit verfolgt werden dürfen, die von Spaniern oder Eingebürgerten verübt wurden, oder denen Spanier zum Opfer fielen. Außerdem darf der Fall sonst nirgends richterlich untersucht worden sein. Das Delikt muss auch dort, wo es verübt wurde, strafbar sein. Der Täter darf nicht begnadigt worden sein. Dieses Reformpaket wurde gestern von der konservativen Mehrheit im Parlament eingebracht.

Das Weltrechtsprinzip wurde 1995 in das spanische Strafrecht aufgenommen. Demnach verjähren Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht und können in Spanien verfolgt werden, egal wo sie verübt wurden. Einzige Bedingung: Die Justiz vor Ort oder internationale Gerichtshöfe ermitteln nicht. Diese Regelung sei „eines der Lieblingsgesetze des Aussenministers“, erklärte mit ironischen Unterton vor wenigen Wochen der Sprecher der Fraktion der Partido Popular von Ministerpräsident Mariano Rajoy, Alfonso Alonso. „Es ist vielversprechend. Aber letztendlich hat es zu nicht weiter geführt, als zu Konflikten“, fügte er hinzu.

Das gilt auch dieser Tage wieder. Spaniens Oberster Strafgerichtshof, die Audiencia Nacional, hat bereits vor etwas mehr als fünf Jahren eine Klage gegen den ehemaligen chinesischen Präsidenten Jiang Zemin wegen Völkermord und systematischer Folter im Tibet zugelassen. Am Montag erließ das Gericht jetzt einen internationalen Haftbefehl gegen Jiang Zemin. Der Fall belastet seit Jahren die bilateralen Beziehungen Spanien – China schwer.

Erstmals sorgte die Aufnahme des Weltrechtsprinzips in das spanische Strafrecht 1996 für internationale Schlagzeilen. Damals nahm Richter Baltasar Garzón an der Audiencia Nacional Ermittlungen gegen den ehemaligen, chilenischen Diktator Augusto Pinochet auf. Mittels eines internationalen Haftbefehls forderte er von Großbritannien, wo Pinochet seine ange Freundin, die ehemalige Regierungschefin Margaret Thatcher besuchte, dessen Auslieferung. Pinochet sass daraufhin in London 18 Monate unter Hausarrest, bis ihndie britische Regierung schließlich nicht nach Madrid überstellten, sindern ihn in seine Heimat ausreisen ließ. Dort nahm sich die chilenische Justiz der Verbrechen des Diktators an.

Die Konservativen unter Rajoy führen fort, was die Vorgängerregierung unter dem Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero begann. 2009 wurde das Gesetz erstmals eingeschränkt. In dem die Untersuchung nur noch bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit „mit Opfern spanischer Nationalität, mit wichtigen Verbindungen zu Spanien oder bei denen sich die Täter auf spanischem Boden befinden“ zugelassen werden

Die jetzige Reform, die von allen Oppositionsparteien abgelehnt wird, ist das endgültige Aus für Fälle wie den Tibet oder in Sachen Völkermord in Ruanda. Außerdem müssen die Ermittlungen gegen die Armee in El Salvador wegen der Ermordung von fünf Jesuiten 1989 eingestellt werden. Auch die US-Armee darf die Reform feiern. Denn die Audiencia Nacional untersucht den Tod eines spanischen Kameramannes im Irakkrieg, als im April 2003 US-Panzer in Bagdad das Hotel beschossen, in dem die internationale Presse untergebracht war.

Was bisher geschah: