© 2014 Reiner Wandler

Vetterleswirtschaft gestoppt

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Großprojekte für die Bauindustrie, das war das Erfolgsrezept des spanischen Booms. So mancher Unternehmer und ihm zugetaner Politiker wollen nicht wahr haben, dass diese Zeiten vorbei sind. So im nordspanischen Burgos. Dort sollte ein Unternehmer aus dem Umfeld der in Stadt, Land und Madrid regierenden, konservativen Partido Popular (PP) für 8 Millionen Euro eine Straße im Stadtteil Gamonal zum Boulevard umbauen. Doch Antonio Miguel Méndez Pozo, so der Name des Unternehmers, und sein Freund der Bürgermeister Javier Lacalle hatten die Rechnung ohne die Anwohner des Arbeiterviertels gemacht. Die Menschen gingen eine Woche lang zu Tausenden auf die Straße, um zu verhindern, dass die Baumaschinen ihre Arbeit aufnehmen.

„Der Stadtteil hat andere Notwendigkeiten als der Umbau einer Straße“, erklärten die Anwohner immer wieder. Aus ganz Spanien zusammengezogene Bereitschaftspolizei sollte den Widerstand brechen. Vergebens. Als es auch in anderen Städten zu Solidaritätskundgebungen und Scharmützel mit den Sondereinsatzkommandos kam, trat Lacalle am vergangenen Freitag vor die Presse. „Wir haben den endgültigen Baustopp beschlossen“, verkündete Bürgermeister Lacalle. Das sei im Sinne des friedlichen Zusammenlebens in der Stadt geschehen.

Im Gamonal und in zahlreichen spanischen Städten gingen erneut Tausende auf die Straße, um den Erfolg zu feiern, und den Rücktritt des Bürgermeiters sowie die Einstellung der Verfahren gegen festgenommene Demonstranten zu fordern. Die Polizei schritt abermals mit Gewalt ein.

Das Projekt sah neben dem millionenteuren Umbau einer vierspurigen Straße ein unterirdisches Parkhaus vor. Wer bisher kostenlos am Straßenrand seinen Wagen abstellte, sollte künftig für einen Stellplatz zur Kasse gebeten werden. Doch was die Menschen im Gamonal am meisten aufbrachte, sind die fehlenden Investitionen im Sozialbereich. So soll ein Kindergarten stillgelegt werden, weil 13.000 Euro für den Unterhalt fehlen.

Für Spaniens „Empörte“ ist der Baustopp im Gamonal der Sieg über ein durch und durch korruptes System. Der Bauunternehmer Méndez Pozo ist ein Beispiel für die Verflechtung aus Politik und Bauindustrie. Der 69-Jährige wurde 1994 als erster Bauunternehmer wegen Korruption zu sieben Jahren Haft verurteilt. Nach nur sieben Monaten kam er wieder auf freien Fuss und machte weiter wie gehabt. So erhielt er den Auftrag in Burgos, obwohl er nicht das billigste Gebot abgegeben hatte.

Méndez Pozo hat sich neben seinen Baufirmen ein Imperium von 62 Unternehmen aufgebaut. Ihm gehören eine Nachrichtenagentur und sieben Lokalzeitungen. Außerdem ist er mit 50 Prozent am regionalen Fernsehen von Castilla-León beteiligt. Unter anderem ist er Besitzer des Diario de Burgos, das monatelang fast täglich über die Notwendigkeit des Umbaus der Straße im Gamonal schrieb.

Mit seinem lokalen Zeitungsmonopol setzt er gezielt Politiker unter Druck und manipuliert die Öffentlichkeit auch in anderen zentralspanischen Städten. Gute Verbindungen zu den regionalen Parteizentralen beider großen Parteien, der konservativen PP und der sozialistischen PSOE taten ein Übriges. Selbst der ehemalige spanische Regierungschef José María Aznar gehört zu seinem engen Freundeskreis.

Jetzt wurde der Fall Albacete bekannt. Dort erreichte Méndez Pozo 2007 das Ziel nicht, Äcker zu Bauland umzuwandeln. Der sozialistische Bürgermeister, der ihm das verweigert hatte, wurde kein Jahr später von der regionalen Parteizentrale zum Rücktritt gezwungen.

Die Krise ging auch am Imperium Méndez Pozo nicht spurlos vorbei. Seit Ende des Baubooms haben die Unternehmen Schulden von insgesamt 1,3 Milliarden Euro angehäuft. In Burgos soll eines seiner Unternehmen jetzt als Entschädigung für den Baustopp eine halbe Million Euro erhalten.

Was bisher geschah: