© 2013 Reiner Wandler

Bouteflika – die Vierte?

Das Video verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Der französische Canal+ analysiert die Aufnahmen des Treffens zwischen dem algerischen Staatschef Abdelaziz Bouteflika und dem französischen Premier Jean-Marc Ayrault Mitte Dezember. Zu sehen ist ein algerischer Präsident, der zwar im Rollstuhl sitzt, aber angeregt redet und gestikuliert. Nur wer ganz genau hinschaut, und die Techniker von Canal+ taten dies, bemerkt, dass es immer wieder die gleichen drei Gesten mit der rechten Hand sind. Die Szene wurde vom algerischen Staatsfernsehen mit mehreren Kameras aus unterschiedlichen Winkeln aufgenommen und dann geschickt zusammengeschnitten. In Wirklichkeit hat sich Bouteflika von seinem Schlaganfall im Frühjahr kaum erholt. Die linke Körperhälfte ist weitgehend gelähmt, für lange Diskurse ist der 76-Jährige nicht zu haben. Er redet so leise, dass er kaum zu verstehen ist.

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Eigentlich ahnten die Algerier dies schon. Doch die beiden Parteien, die ehemalige Einheitspartei Nationale Befreiungsfront (FLN) und deren Abspaltung die Nationale Demokratische Versammlung (RND), die den Staatschef seit seiner ersten Wahlkampagne 1999 unterstützen, wollen dies nicht nur vergessen machen. Sie haben den erstaunlichen Plan, Bouteflika im April erneut für das Amt des Staatschefs ins Rennen zu schicken.

Mächtige Verbände, wie Arbeitgeber und die Gewerkschaft UGTA oder Vereinigungen, wie die der Kämpfer im Befreiungskrieg und deren Angehörige unterstützen dies. Es wäre seine vierte Amtszeit. „Der amerikanische Präsident Franklin Roosevelt wurde viermal wiedergewählt obwohl er im Rollstuhl saß“, erklärt der Chef der FLN Amar Saidani. Bouteflika selbst hat sich bisher dazu noch nicht geäussert.

„Die Opposition steht zusammen und lehnt eine massgeschneiderte Verfassungsänderung ab, die eine vierte Amtszeit für den Präsidenten ermöglicht“, erklärte Sofiane Djilali, Vorsitzender der kleinen Partei Neue Generation anlässlich einer Versammlung von 20 Oppositionsparteien vor wenigen Wochen in Algier. „Alle Welt weiß, dass der Präsident krank und nicht in der Lage ist, das Land zu führen. Stellt sich die Frage: Warum will er nicht einfach einen geordneten Machtwechsel zulassen?“ fragt der 55-jährige Tierarzt und ehemalige algerische Meister im Springreiten, der sich und seine 2012 gegründete Partei in der Tradition des arabischen Frühlings sieht.

Die Antwort dürfte im Innenleben der beiden Regierungsparteien liegen. Sowohl die FLN als auch die RND stecken in einer tiefen Krise. Sie waren ganz einfach nicht in der Lage, rechtzeitig nach dem überraschenden Schlaganfall einen neuen Kandidaten aufzubauen. Eine erneute Kandidatur Bouteflikas soll wohl aus dieser Notlage helfen.

Dieser Plan B sieht nicht nur eine Verfassungsänderung vor, die Bouteflika eine erneute Kandidatur ermöglicht, sondern soll ihm künftig einen Vizepräsident an die Seite stellen. Dieser könnte dann die Geschäfte führen und irgendwann komplett übernehmen. Diese Aufgabe könnte dem derzeitigen Premier Abdelmalek Sellal zufallen. Der 65-jährige Diplomat, der bereits mehrere Ministerposten inne hatte, genießt das Vertrauen der übermächtigen Armee.

Der Chefredakteur der Wochenendausgabe der meistgelesenen algerischen, francophonen Tageszeitung El Watan, Adnene Meddi, hält ein noch geschickteres Manöver für möglich. Anstatt Wahlen im April anzuberaumen könnten FLN und RND ganz einfach die Amtszeit des Präsidenten verlängern. „In der Verfassung könnte sieben statt bisher fünf Jahre festgeschrieben werden“, erklärt er. Zusammen mit einem neuen Vizepräsidenten hätte das Regime dann genügend Zeit eine Machtwechsel in ihrem Sinne vorzubereiten.

Mit einer geordneten Machtübergabe will Bouteflika sein eigenes Umfeld absichern. Es geht ihm vor allem um seinen jüngeren Bruder Said. Er hat – so deckte die algerische Presse wiederholt auf – seine Rolle als starker Mann an der Seite des Staatschefs ausgenutzt, um sich zu bereichern. Wirklich freie Wahlen könnten Ermittlungen und Strafverfolgung nach sich ziehen.

Was bisher geschah: