Das spanische Unternehmen Escal UGS hat mit einem unterirdischen Gaslager schlafende Naturgewalten geweckt. Seit in der ersten Septemberhälfte Erdgas in ein ausgebeutetes Erdöllager 1.800 Meter unter dem Meeresgrund vor der ostspanischen Küste gepumpt wurde, reist eine Welle von Erdbeben nicht mehr ab. Über 350 Mal zitterte die Erde unweit der Mündung des Ebroflusses. Vergangene Woche erreichten die Beben bis zu 4,1 auf der nach oben offenen Richterskala. Die Bevölkerung der Küstenorte Vinaròs und Alcanar sind besorgt. Denn nur wenige Dutzend Kilometer entfernt liegen in Ascó und Vandallòs zwei der sieben spanischen AKWs. Die Betreiberfirma des Erdgaslagers 22 Kilometer vor der Mittelmeerküste mit dem Namen Castor gehört zu zwei Dritteln der Firma ACS von Real Madrid Präsident Florentino Pérez, die 2011 das deutsche Bauunternehmen Hochtief aufkaufte.
Das Lager mit einer Kapazität für eine Gasmenge, wie sie Spanien in 17 Tagen verbraucht, wurde im nationalen Energieplan als dringlich eingestuft. 1,3 Milliarden Euro kostete die Installation. Nur bei der Planung scheint geschlampt worden zu sein. So verlautet aus dem Umweltministerium, dass bei der Studie über Umweltverträglichkeit keine Untersuchungen über Erdbebengefährdung der Region unternommen wurde. Ob dies andere Stellen vorgenommen haben, darüber schweigt sich die Regierung aus. Und das obwohl Lager unter einer 51 Kilometer langen Verwerfung liegt.
Ein Stück weiter befindet sich eine weitere 14 Kilometer lange Spalte in der Erdkruste, dazwischen ein Gewirr von kleineren Verwerfungen, die – so muss die Regierung jetzt eingestehen – nicht einmal auf den Karten erfasst sind. Wissenschaftler gehen davon aus, dass eine oder mehrere dieser Verwerfungen durch das Einlagern von Gas in Bewegung geraten sind.
Die Betreiber freilich wollen davon nichts wissen. „Die Verwerfung ist ein wichtiger Bestandteil des Lagers, das haben wir in unseren Untersuchungen genau studiert (…). Umgangssprachlich ausgedrückt ist diese Verwerfung der Deckel unseres Lagers“, erklärt der Vorsitzende von Escal UGS, Recaredo del Potro, der erstaunten Öffentlichkeit.
Industrieminister José Manuel Soria sieht das mittlerweile anders. Der Konservative hält einen direkten Zusammenhang zwischen der Anlage und den Erdbeben für „sehr wahrscheinlich“. Soria lies Ende vergangener Woche die Anlage auf unbestimmte Zeit stoppen, „bis jede Gefahr für die Bevölkerung ausgeschlossen werden kann“. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Ende vergangener Woche gegen Escal UGS. Am Samstag landete ein Hubschrauber der paramilitärischen Polizei Guardia Civl auf der Gasplattform vor der Küste, von wo aus das Gas in das Lager gepumpt wird, um zu überprüfen, ob der Betriebsstopp tatsächlich eingehalten wird.
Der spanischen grünen Partei Equo ist der Befüllungsstopp nicht genug. Deren Sprecher Juan López de Uralde fordert eine Abschaltung der beiden nahegelegenen AKWs Ascó und Vandallòs. „Wen niemand sagen kann, wie sich die Lage weiterentwickelt, ist es besser vorzusorgen“, erklärt er angesichts des Unfalls im japanischen Fukushima./Foto: gva.es