© 2013 Reiner Wandler

Portugal: Regierungskrise beigelegt

Es wird in Portugal keine „Regierung der nationalen Rettung geben“. In einer Fernsehansprache gestand Präsident Aníbal Cavaco Silva am Sonntag Abend ein, das sein Vorschlag an der Haltung der Opposition gescheitert ist. Die Sozialistische Partei (PS) weigert sich, in eine solche große Koalition einzutreten. Vor zwei Jahren wegen des Rettungsgesuchs an Europa und die Troika vom Wähler abgestraft, wollen sich die Sozialisten nicht erneut die Finger verbrennen.

Die Sozialisten hatten zwar Verhandlungen für eine große Koalition aufgenommen, doch scheiterten diese. Denn die PS lehnte ein erneutes Sparprogramm von 4,7 Milliarden Euro, das bereits mit der Troika abgestimmt ist, ab. Zu groß seien die Opfer, die die Bevölkerung bereits gebracht habe. Nach zwei Jahren harter Sparpolitik liegt die Arbeitslosigkeit bei der Rekordquote von 17,6 Prozent, die öffentlichen Dienstleistungen, Transport, Bildung, Gesundheitswesen werden immer weiter zusammengekürzt, Löhne gesenkt und Steuern erhöht. Die Sozialisten fordern Neuwahlen.

Doch auch diese wird es nicht geben. „Die beste Lösung ist die Fortsetzung der aktuellen Regierung“, beschloss Cavaco Silva. „Wir müssen den europäischen Partnern zeigen, dass Portugal ein regierbares Land ist“, erklärte er diesen Schritt. Genau danach sah es die letzten vier Wochen nicht aus. Die Koalition um den Konservativen Pedro Passos Coelho und seiner konservativen Sozialdemokratischen Partei (PSD), der auch Cavaco Silva angehört, und der kleineren CDS-PP, von Aussenminister Paulo Portas, drohte auseinanderzubrechen.

Zuerst trat Ende Juni der PSD-Finanzminister Vitor Gaspar zurück. Anfang Juli folgte Portas selbst. Seine Amtsniederlegung sei „unwiderruflich“, erklärte er damals. Dass er jetzt doch im Amt bleibt, liegt nicht zuletzt daran, dass er für sich einen besseren, einflussreicheren Posten heraushandeln konnte. Portas wird künftig Vizepremier. In seine Zuständigkeit werden die Verhandlungen mit der Troika fallen. Portugal hängt an einem 78-Milliarden-Tropf der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfond (IWF).

Es ist kein leichter Job, den Portas als Vizepremier und Verhandlungsführer antritt, denn auch er kritisierte in der Vergangenheit immer wieder den harten Sparkurs. Wenn Portas gegenüber der Troika überhaupt ein Druckmittel hat, um seinem Land etwas Luft zu verschaffen, dann das des völligen Zusammenbruchs des südwesteuropäischen Staates, der das benachbarte Spanien, aber auch Italien und Frankreich anstecken könnte. Portugal braucht eine erneute Lockerung der Sparziele. Denn das Versprechen das Defizit von 6,4 Prozent 2012 auf 5,5 Prozent bis Ende diesen Jahres zu senken, kann nicht eingehalten werden.

Es sind die Zinsen für die Staatsanleihen, die das kleine Land ersticken. In den Wochen der Regierungskrise stiegen sie erneut auf Rekordwerte von deutlich über sieben Prozent. Eine vollständige und vor allem selbstständige Rückkehr Lissabons an die Finanzmärkte bleibt schwierig.

 

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Meine Meinung

Trügerische Stabilität  

Portugals Präsident Aníbal Cavaco Silva ist gescheitert. Darüber können auch seine patriotischen Worte nicht hinwegtäuschen. „Die beste Lösung ist die Fortsetzung der aktuellen Regierung“, sprach er sich in einer Rede im Fernsehen gegen Neuwahlen aus. Er versucht damit die Krise zu beenden, die Portugal erneut in den Strudel der Finanzspekulation mit Staatsanleihen gerissen hat.

Schuld war eben die Regierung um den Konservativen Pedro Passos Coelho, die Cavaco Silva jetzt im Amt bestätigt. Die Rechtskoalition der konservativen Sozialdemokratischen Partei (PSD), der auch Cavaco Silva angehört, und der kleineren CDS-PP, war wochenlang innerlich zerstritten. Zwei Minister traten zurück. Die Koalition drohte gar zu platzen. In dieser Situation verlangte der Staatschef eine große Koalition, um das Land zu stärken.

Doch die Sozialisten (PS) lehnten ab. Sie hatten einst das Rettungsgesuch an EU und Troika gestellt und waren dafür von den Wählern abgestraft worden. Ein erneutes Einknicken zugunsten der Austeritätspolitik konnten und wollten sich die Sozialisten nicht leisten. Sie verlangten Neuwahlen.

Die Entscheidung Cavaco Silvas gibt der Regierung sicher eine Verschnaufpause. Die Probleme löst sie nicht. Denn die Koalition um Passos Coelho ist unter der Bevölkerung verhasst für ihre Politik. Portugal hat sich in nur zwei Jahren an den Rand des Abgrunds gespart. Die Arbeitslosigkeit stieg auf Rekordwerte, Steuererhöhungen nahmen den Menschen, die noch einen Job haben beträchtliche Teile ihres Einkommen, der eh schon schwache Sozialstaat ist mittlerweile so gut wie inexistent. Immer wieder kommt es zu Generalstreiks und Großdemonstrationen.

Doch das Land wird trotzt aller Sparwut unter Passos Coelho das Ziel, die Staatsverschuldung unter drei Prozent zu senken, nicht im vorgesehen Zeitrahmen erreichen, und das obwohl dieser bereits gelockert wurde. Ein Ende des Leidens ist also nicht in Sicht.

Der Chef der CDS-PP, Aussenminister Paulo Portas, hat im Laufe der Krise an Macht gewonnen. Er soll jetzt als Vizeministerpräsident mit der Troika den weiteren Fahrplan, der Lockerungen enthalten muss, aushandeln. Geht dies gut, kann er sich das vor den nächsten Wahlen als Erfolg ans Reverse heften. Geht es schief könnte er versucht sein, die Regierung in eine erneute Krise zu stürzen, um selbst Abstand von unbeliebten Maßnahmen, die er bisher mitgetragen hat, zu nehmen.

Was bisher geschah: