© 2013 Reiner Wandler

Zwei Jahre Empörung

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Spaniens Empörten feiern Geburtstag. Am 15. Mai wird die Bewegung 15M zwei Jahre alt. Überall in Spanien finden dieser Tage große und kleine Protestaktionen statt, Versammlungen zu politischen und wirtschaftlichen Themen werden auf öffentlichen Plätzen abgehalten. Am Sonntag zogen erneut Zehntausende auf den zentralen Platz Puerta del Sol, der einst vor zwei Jahren ein Protestcamp Heimat bot.

„Ja, man kann!“ war das Motto, das am meisten gerufen wurde. Die Demonstrierenden forderten ein Ende der Sparpolitik, eine Lösung für die dringenden sozialen Problemen wie Arbeitslosigkeit und Zwangsräumungen von schuldigen Wohnungsinhabern. Es war ein bunter Haufen aller Altersgruppen, der erneut zusammengekommen war. Für Anfang Juni sind gemeinsame Aktionen mit dem ebenfalls krisengeschüttelten, benachbarten Portugal geplant.

„Der Geist der Empörtenbewegung 15M hat weite Teile der Bevölkerung erfasst“, zeigt sich Fabio Gándara zufrieden. Der 28-Jährige ist einer der „Väter“ der Bewegung. Vor zwei Jahren rief er zusammen mit einer kleinen Gruppe in den sozialen Netzwerken im Internet zur Demonstration. „Echte Demokratie jetzt!“ nannten sich die Aktivisten. „Wir standen mit unserem Transparent eine halbe Stunde zuvor am Versammlungsort und wussten nicht, ob es was wird“, erinnert er sich. Und es wurde ein Erfolg. Über 40.000 demonstrierten damals in Madrid, 130.000 in ganz Spanien. Dutzende von Protestcamps entstanden, bis die Bewegung 15M, die sich den Namen nach dem damaligen 15. Mai 2011 gab, Stadtteilversammlungen ins Leben rief.

Diese prägten die Mobilisierung vom Sonntag. Aus allen Himmelsrichtungen waren Märsche ins Madrider Zentrum gekommen. Sie mischten sich mit Menschen in weißer Kleidung aus dem Gesundheitswesen, die gegen die Sparpolitik und Privatisierung in den Gesundheitsposten und Krankenhäusern mobil machen und anderen mit grünen Shirts, die das öffentliche Schulwesen verteidigen. Am lautstärksten waren die Gruppen gegen die Zwangsräumungen von schuldigen Wohnungsinhabern. 400.000 Familien wurden seit Beginn der Krise geräumt und sitzen auf der Straße. Die Betroffenen fordern ein Schuldenerlass sobald die Wohnung von der Bank beschlagnahmt wird. „Sí se puede!“ – „Ja, man kann!“ ist ihr Motto, geliehen von der Bürgerrechtsbewegung der Hispanos in den USA. In Barcelona besetzten am Ende der dortigen Demonstration zwangsgeräumte Familien einen leerstehenden Wohnblock.

Es waren weniger gekommen, als in den vergangenen zwei Jahr. „Doch die Zahl der Bewegungen und Proteste hat deutlich zugenommen, seit es den 15M gibt“, ist Gándara dennoch zufrieden. Alleine in den letzten Tagen gab es fantasievolle Aktionen vor den meisten Filialen der bankrotten Bank Bankia, einen Generalstreik in ganz Spanien im Bildungswesen und eine selbstorganisierte Volksabstimmung in Madrid gegen die Privatisierung im Gesundheitswesen. Eine Million gaben ihre Stimme ab. Über 99 Prozent sprachen sich gegen die Politik der Konservativen aus.

„Der 15M hat mehr kritisches Bewusstsein in der Bevölkerung erzeugt“, ist sich Gándara sicher. Und vor allem hätten die Bewegungen ihre Art sich zu organisieren verändert. Horizontal und kollektiv sind die Schlagworte, die im Gespräch mit Gándara immer wieder fallen. Doch zeigt er sich auch kritisch: „Wir können beim Prozess hin zu einem gesellschaftlichen Wandel nicht nur auf Bürgerversammlungen auf der Straße und auf punktuellen Protesten setzen“, mahnt er. Gándara ist davon überzeugt, dass die Protestbewegungen in stabilere Organisationsformen zusammenfinden müssen. „Empört Euch – engagiert Euch“ steht auf einem der selbstgemalten Plakate, das währenddessen einer der Protestierenden am U-Bahn-Eingang Puerta del Sol aufhängt.

Was bisher geschah: