© 2013 Reiner Wandler

Vom El Dorado zum schwarzen Loch

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Die Iberische Halbinsel hatte einen guten Ruf, wenn es um erneuerbare Energien ging. Einheimische Unternehmen sorgten für eine flächendeckende Industrialisierung, wie es sie im Süden nie zuvor gegeben hat. Hunderttausende von Arbeitsplätzen entstanden in beiden Ländern dank Wind und Sonne. Ausländische Investoren planten und bauten mit, errichteten gar eigene Produktionsstätten. Das war vor der Krise.

Jetzt, da die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfond die Vergabekriterien für Hilfskredite für Portugals Staatshaushalt und Spaniens Bankenrettung überwacht, verliert die Branche im Namen der Sparpolitik jede Zukunftsperspektive. Aus dem einstigen El Dorado wurde in den vergangenen Monaten ein schwarzes Loch.

In etwas mehr als einem Jahr reformierten die in Madrid regierenden Konservativen unter Ministerpräsident Mariano Rajoy den Elektrizitätsmarkt fünf Mal. Betroffen von den Maßnahmen sind vor allem die erneuerbaren Energieformen. „Dekret für Dekret vernichtet die Regierung die Branche“, beschwert sich der Dachverband der Produzenten erneuerbarer Energie (Appa) in einem jüngsten Kommuniqué.

Am Anfang stand das so genannte Moratorium vom Jahresbeginn 2012. Darin wurde auf unbestimmte Zeit die Förderung per Einspeisevergütung von Neuanlagen ausgesetzt. Die Branche brach von einem Tag auf den anderen zusammen. Die Ausbauziele für die Ökostromproduktion, die nötig sind, um 20 Prozent Anteil der Erneuerbaren am Gesamtenergieverbrauch zu erreichen, wie sie im Aktionsplan stehen und der EU vorgelegt wurden, sind damit Geschichte, auch wenn dies Madrid noch nicht offiziell erklärt hat.

Doch auch Altanlagen sind von den Einsparungen betroffen. Besitzstandsgarantie? Fehlanzeige. Durch ein neues, im März vorgestelltes Maßnahmenpaket verliert die Branche weitere 500 Millionen Euro für das laufende Jahr. Anstatt wie bisher die Inflationsrate der jährlichen Angleichung der Vergütungen zugrunde zu legen, zauberte das Industrieministerium einen neuen Index aus der Schublade. „Basisinflation bei konstanten Steuern“ heißt die Formel.

Es handelt sich um einen Index, der weder den Anstieg der Energiekosten noch Steuererhöhungen mit einkalkuliert. Anstatt die Vergütungen um 3,5 Prozent anzuheben, wie das nach der bisherigen Regel der Fall gewesen wäre, kommt die Regierung nach der neuen Rechnung auf gerade mal 0,47 Prozent. Die führt zu Nettoverlusten für die Unternehmen. Was die Branche besonders verärgert: Für andere Posten im Gesamtstrompreis, wie Transport und Verteilung, die vor allem den traditionellen Stromversorgern zu Gute kommen, wird es eine Milliarde Euro mehr zu verteilen geben. Eine weitere Neuerung: Bisher konnten die Stromerzeuger wählen, ob sie eine feste Einspeisevergütung für ihre Produktion erhalten oder einen Sockelbetrag plus den Marktpreis, künftig fällt die zweite Variante weg. Die Verbände fürchten, dass dies der Anfang weiterer Kürzungen sein könnte.

Es ist nicht das erste Mal, dass die spanische Regierung Maßnahmen trifft, die rückwirkend in die Gewinnstruktur der Branche eingreifen. 2012 wurde ein Sondersteuer eingeführt, die jede erzeugte Kilowattstunde mit sieben Prozent Abgaben belegt, egal mit welcher Technik sie produziert wurde. Mit diesem Geld soll ein Teil des in den letzten Jahren aufgelaufenen Defizits des Strommarkts abbezahlt werden. In Spanien – und auch im benachbarten Portugal – beschlossen die Regierungen in den 2000er Jahren, den Strompreis nicht weiter ansteigen zu lassen, als es der Inflationsrate entsprach. Für den Fall, dass diese Vorgabe aufgrund steigender Erzeugungskosten nicht einzuhalten war, wurde eine Umlage des Mehrbetrags auf die kommenden 15 Jahre geplant. Bis 2008 ging das gut. Dann explodierte der Ölpreis. Die Schere zwischen den Kosten der Stromerzeugung und dem Verbraucherpreis ging immer weiter auf, das resultierende Defizit nahm enorme Ausmaße an. Der Staat bürgte für den Betrag, was in Zeiten der Schuldenkrise ein erhebliches Problem darstellt.

Außerdem wurde für Altanlagen die Anzahl der Stunden begrenzt, in denen sie Einspeisevergütungen erhalten. „All diese Maßnahmen haben die Bedingungen geändert, die den Investitionen einst zugrunde lagen“, beschwert sich Appa. In der Windbranche wird fertig gebaut, was genehmigt ist, Pläne für die Zeit danach gibt es keine mehr. Und die Photovoltaik wartet bisher vergebens auf ein Gesetz, das Anlagen für den Eigenkonsum reguliert. Zehntausende Arbeitsplätze sind durch das Moratorium verloren gegangen.

Beim kleinen Nachbar Portugal sieht es nicht viel besser aus. Der einstige Musterschüler in Sachen erneuerbare Energie hat nur wenige Wochen nach Spanien, im Februar 2012, ebenfalls ein Moratorium erlassen. Nach Schätzungen des dortigen Branchenverbands Apren waren, als die Förderungen per Einspeisevergütung ausgesetzt wurden, Windanlagen mit 2000 Megawatt (MW) Kapazität sowie 1700 MW unterschiedlicher Technologien – ein Großteil davon Photovoltaikanlagen – im fortgeschrittenen Planungsstadium. Die Arbeit war umsonst. Das Moratorium soll mindestens bis 2014 gelten. Dann will die konservative Regierung unter Pedro Passos Coelho den Bedarf an einem weiteren Ausbau der Alternativenergien neu einschätzen. „Zwei Jahre ohne Ausbau der Erneuerbaren führt zu einer Demobilisierung der Unternehmensstrukturen“, warnte Apren-Chef António Sá da Costa. Doch jüngste Erklärungen lassen keine Hoffnung auf einen Kurswechsel aufkommen. Die Regierung spricht mittlerweile ganz offen von einer Anpassung des gültigen Aktionsplans, der das ehrgeizige Ziel von 31 Prozent erneuerbarer Energien am Gesamtverbrauch vorsah.

Die einzigen namhaften Projekte, die in Portugal derzeit noch errichtet werden, erhalten EU-Förderungen. Brüssel stellt 1,3 Milliarden Euro für 23 Bauvorhaben zur Verfügung. Damit werden vor allem neue Technologien wie ein Gezeitenkraftwerk und Offshore-Anlagen auf schwimmenden Plattformen gefördert. (rw)

Portugal

Fördersystem: Einspeisevergütung

Erneuerbarer Anteil gesamt Energieverbrauch 24,7 Prozent

Ziel 2020: 31%

Erneuerbaren-Anteil am Gesamtstromverbrauch: 38 %

Ziel 2020: 55,3%

Windanteil: 20%

Installierte Windleistung 2012 : 4.525 MW

Ziel 2020 : 6.875 MW

PV 2012 225 MW

Ziel PhV 2020 1.000MW

Erneuerbare Arbeitsplätze 2010: 45.000

Ziel 2020 135.000

Spanien

Fördersystem: Einspeisevergütung

Erneuerbarer Anteil gesamt Energieverbrauch: 11,6%

Ziel 2020 22,7%

Erneuerbaren-Anteil am Gesamtstromverbrauch: 29,7 %

Ziel 2020: 40%

Windanteil: 18%

Installierte Windleistung: 22.796 MW

Ziel 2020: 35.750 MW

PhV 4.509 MW

Ziel PhV 2020 8.367 MW

Erneuerbare Arbeitsplätze (2010) 70.152

Ziel 2020 128.373

Was bisher geschah: