Spaniens Empörte haben ihren brillantesten Denker verloren. Der Schriftsteller und Wirtschaftsprofessor José Luis Sampedro verstarb am Sonntag im Alter von 96 Jahren in seiner Wohnung in Madrid. Dies gab die Familie bekannt nachdem der Leichnam gestern eingeäschert worden war. Sampedro hatte dies so gewünscht. Er wollte auf keinen Fall große Menschenmengen und Lobesreden bei seinem letzten Geleit.
Bescheidenheit war dem Intellektuellen eigen: „Es gibt zwei Sorten von Wirtschaftswissenschaftlern. Jene, die dafür arbeite, dass die reichen reicher werden und diejenigen, die wir dafür arbeiten, dass die Armen weniger arm sind“, lautete einer der Sätze, des Professors aus dessen Hörsäle mehrere künftige Wirtschaftsminister Spaniens hervorgegangen sind.
Der Verfasser des Vorwortes der spanischen Ausgabe von „Empört Euch!“ von Stéphane Hessel gehörte zu den Ersten, die nach dem 15. Mai 2011 die Empörtenbewegung 15M unterstützten. „Der Kapitalismus macht alles zur Ware. Aber mit den sozialen Protesten scheint etwas anderes zu entstehen. Ein anderes System lässt sich erahnen“, begründete er seine Sympathie für die Bewegung.
Sampedro, mehrere Jahre Banker an der staatlichen Aussenhandelsbank, hatte sich lange vor seinen Essays und Reden gegen die Sparpolitik als Schriftsteller einen Namen gemacht. Werke wie „Das etruskische Lächeln“ (1989) oder „Der Fluss, der uns trägt“ waren für ganze Generationen von Literaturliebhabern ein Muss und brachten dem Autor mehrere bedeutenden Preise ein.
Geboren in Barcelona aufgewachsen im marokkanischen Tanger hatte Sampedro ein wechselhaftes Leben. Er war nicht immer der fortschrittliche Freigeist, um den viele Spanier jetzt trauern. Als 1936 der Bürgerkrieg ausbrach, schloss er sich zuerst denen an, die die verfassungsmässige Ordnung der Republik verteidigte. Doch bald schon wechselte er auf die gegnerische Seite unter General Franco. Später erklärte er, dass es die Kriegsgräueln waren, die ihn schließlich von beiden verfeindeten Lagern Abstand gewinnen ließ.
1955 wurde Sampedro Professor an der Universität in Madrid. Als in den 1960er Jahre, mehrere Kollegen aus politischen Gründen entlassen wurden, verließ er Spanien und unterrichtete in Großbritannien und den USA. Nach seiner Rückkehr begann er zu schreiben und wurde zu dem Intellektuellen, als den ihn so viele schätzen.
„Auch wenn man nichts weiter ist als ein kleiner Baum im großen Wald. Muss man dieser Baum voll und ganz sein“, resümierte der Verstorbene gerne seine Lebensphilosophie.