© 2013 Reiner Wandler

Tunesien: Ein Land in der Krise

Das Hauptproblem Tunesiens ist die Wirtschaft. Auch zu Beginn des dritten Jahres nach der Revolution kommt das Land nicht in Schwung. Zwar ließ die tunesische Wirtschaft 2012 die Rezession hinter sich, doch beträgt das Wirtschaftswachstum nur vier Prozent. Was für einen Europäer viel klingt, reicht nicht, um der Arbeitslosigkeit von rund 20 Prozent Herr zu werden. Vor der Revolution waren 14 Prozent ohne Job.

„Das Wachstum müsste bei sieben oder acht Prozent liegen, um zur Entwicklung des Landes beizutragen“, erklärt Ridha Saidi, Sonderminister für Wirtschaftsaufgaben und damit rechte Hand von Ministerpräsident Hamadi Jebali.
Die ausländischen Investitionen sind 2012 gegenüber dem Vorjahr um 25 Prozent gestiegen. Sie liegen aber immer noch knapp 9 Prozent unter dem des letzten Jahres vor der Revolution, 2010. Vor allem der Tourismus steckt in der Krise. Die Einnahmen liegen noch immer zehn Prozent niedriger als 2010.
Damals nahm Tunesien 1,7 Milliarden Euro mit Sonnen und Ruinen ein. Das waren sieben Prozent des BIP. 400.000 Menschen arbeiteten in der Branche. Vor allem die Zahl der Besucher aus Europa liegt noch immer rund knapp ein Drittel unter denen von 2010. Die Menschen haben Angst vor dem, was sie in den Nachrichten sehen. Der Mord an Chokri Belaid und die anschließenden Demonstrationen dürften auf die kommende Saison ebenso negative Auswirkungen haben, wie die unsichere Lage in der Sahara. Das Ziel, in diesem Jahr wieder die Ziffern von 2010 zu erreichen dürften mehr als utopisch sein.
Die islamistische Regierung um Jebali setzt auf Besucher aus der arabischen Halbinsel. Immer mehr Hotels werden zur alkoholfreien Zone erklärt. Das Bild am Strand ändert sich. Die europäischen und die arabischen Urlaubsgewohnheiten lassen sich nur schwer zusammen bringen.
Während die Menschen in der Küstenregion zumindest Hoffnung auf eine Besserung haben, ist die soziale Lage im Landesinneren mehr als angespannt. In Regionen wie Sidi Bouzid, von wo einst die Rebellion gegen Diktator Zine el Abidine Ben Ali ihren Anfang nahm, oder in Kasserine, Siliana, Kef sind Generalstreiks gegen die Regierung an der Tagesordnung.
15 Provinzen im Landesinneren haben die gleichen Probleme. Die Straßen sind schlecht. Ausbaupläne gibt es seit Langem, doch weder Ben Ali noch die neue Regierung setzt sie um. Die Investoren bleiben deshalb aus. Die offizielle Arbeitslosigkeit liegt bei über 25 Prozent. Viele sind garnicht gemeldet. Und wer einen Job hat, verdient meist deutlich unter dem gesetzlichen Mindestlohn von monatlich 140 Euro.
Die Frauen sind am stärksten von der Arbeitslosigkeit betroffen. 28,2 Prozent der Frauen, die Arbeit suchen, finden keinen Job. Bei den Männern sind es – laut einer Studie der deutschen Entwicklungshilfeorganisation GIZ – nur 15,4 Prozent. Nur jede vierte Arbeitsplatz ist in den Händen einer Frau.
Die Preise steigen unaufhörlich. So manches Grundnahrungsmittel kostet mehr als das doppelte als vor der Revolution. Die Inflation lag 2012 offiziell bei 5,9 Prozent.

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