© 2012 Reiner Wandler

Das baskische High-Tech-Produkt Milch

Die neueste Errungenschaft des schweizer Molkereibetriebs Emmi: Das spanische Unternehmen Kaiku, macht sich erfolgreich auf Nischenmärkten breit und expantiert weltweit.

Milch ist einfach nur Milch und Joghurt ist einfach nur Joghurt. Falsch. Wer mit Xabier Aristi redet, dem wird schnell klar, dass garnichts einfach so ist wie es ist. Der Generaldirektor des nordspanischen Molkereibetriebs Kaiku Corporación Alimentaria redet von Innovation, von Entwicklung, von Know How, als würde er High-Tech-Produkte anbieten. Und im gewissen Sinne macht er das auch. Das im Baskenland und Navarra angesiedelte Unternehmen, bei dem die Schweizer Emmi seit Sommer die Mehrheit hält, erfindet die Milchprodukte täglich neu. Nur noch die alten Schwarz-Weiß-Fotos im Verwaltungsgebäude der Produktionsanlagen in Pamplona und der Name des Unternehmens, der auf deutsch Melkeimer bedeutet, erinnern an die Zeiten, als Kaiku nichts weiter war, als ein Zusammenschluss der örtlichen Milchzentralen und -genossenschaften und nur Milch, Joghurt und Butter anbot.

„Die Marke gab es schon als Zusammenschluss der Milchzentralen. Doch wir wollten sie ausbauen. Das ging nur mit einem neuen Unternehmen, das mit Engagement und einem gewissen Risikoappetit am Markt präsent ist“, erinnert sich Aristi, ein Mann der ersten Stunde. Seit 2004 besteht neben dem Genossenschaftsverband Kaiku, der 70 Prozent der Milchproduktion im Baskenland kontrolliert, die Kaiku Corporación Alimentaria. Es sei der einzige Weg gewesen, Kaiku gegen die ständig zunehmende Präsenz der „markenlosen Produkte“ auf der einen und der erfolgreiche Strategie von Marktführer Danone auf der anderen Seite zu behaupten.

Das Kapital des Unternehmens kam zum Teil aus den Genossenschaften, von Industriefonds der baskischen Regierung und von regionalen Sparkassen. Nach einigen Umschichtungen in den letzten Jahren hält heute die Luzerner Emmi 66 Prozent der 66 Millionen Euro Gesellschafterkapitals. Die Genossenschaften besitzen nach wie vor zehn Prozent.

„Wir verstehen uns von Anfang an als Plattform. Wir investieren in die Marke und deren Entwicklung. In der Branche gibt es überall Produktionsüberkapazität vor allem bei den Grundprodukten. Warum sollen wir da unsere eigenen Anlagen aufbauen, wenn es nicht unbedingt nötig ist?“ fragt Aristi. Das Abfüllen von Milch bestreiten nach wie vor die Genossenschaften für Kaiku. Nur bei speziellen Produkten baute Kaiku eigene Kapazitäten im Werk in Pamplona auf.

Milch als Grundnahrungsmittel interessiert Aristi nur bedingt. „Hier sind wir in Nordspanien von jeher Marktführer“, erklärt er und geht zu seinen eigentlichen Lieblingsthemen über und damit zu den anderen „Kategorien von Milchprodukten“, die Kaiku anbietet.

Der Generaldirektor hat auf dem Tisch neben sich eine Auswahl seiner Produkte aufgebaut. Joghurt und Milch ist nur ein Bruchteil dessen, was da zu sehen ist. Der Rest sind allerlei Fläschchen, bunte Becher und Tetrabriks mit fast schon wissenschaftlich klingenden Produktnamen, wie Bifi, Actif, Vitaten oder Benecol … Wer sich einmal durch das Überangebot des Milchregals eines europäischen Supermarktes geschlagen hat, der weiß, was Aristi aufgefahren hat.

Doch sein ganzer Stolz ist die Milch ohne Milch, oder besser gesagt ohne Lactose. „Lactose-Unverträglichkeit ist wesentlich weiter verbreitet, als allgemein angenommen wird. Üblicherweise macht diesen Menschen hauptsächlich die Milch Probleme, fermentierte Produkte weniger“, sagt Aristi. Doch wer das Problem mit der Lactose bei sich entdeckt habe, suche auch für alle weiteren Milchprodukte Ersatz. Kaiku hat sie im Angebot. Es ist ein Nischenmarkt auf dem Kaiku keine nennenswerte Konkurrenz hat. Der Absatz der Produktreihe „Kaiku ohne Lactose“ wächst seit Jahren im zweistelligen Bereich.

„Außerdem ist die Milch ein ideales Medium, um gesundheitsfördernde Produkte zu transportiere“, erklärt Aristi und verweist auf Milchgetränke, die das Immunsystem stärken, den Cholesterinspiegel oder den Blutdruck senken sollen. Hier ist Kaiku die Nummer 2 auf dem spanischen Markt gleich hinter dem omnipräsenten, multinationalen Anbieter Danone.

Die Beziehung zur Luzerner Emmi begann früh. Der Austausch an Know How und Technologie ist seit Jahren etabliert. So ist die Produktreihe Benecol, ein Getränk, das „nachweislich und messbar den Cholesterinspiegel senkt“, eine Entwicklung aus Luzern. Ebenso wie die Maschinen in denen die Fläschchen für das Getränk in Pamplona steril abgefüllt werden.

Schnell nahm Kaiku auch andere Produkte aus der Schweiz ins Sortiment. Der Emmi-Schnellgetränks Caffè Latte – wird mittlerweile unter der Marke Kaiku vertrieben. „Wir haben sogar eine neue Variante angeregt, Caffè Latte koffeinfrei“, berichtet Aristi. Eine Studie in den spanischen Kneipen habe erbracht, dass 20 Prozent des verkauften Kaffees koffeinfrei ist – verständlich in einem Land, in dem viele wichtige Entscheidungen bei einer Tasse Kaffee am Tresen gefällt oder zumindest nachbereitet werden. Caffè Latte ist mittlerweile auch in Spanien Führer unter den fertigen Kaffeegetränken mit weit über 70 Prozent Marktanteil. Eine eigene spanische Produktionsstätte aufbauen, gehört dennoch nicht zu den Plänen von Emmi und Kaiku.

„Emmi und Kaiku verbindet eine ähnliche Philosophie“, sagt Aristi. Beide Unternehmen kommen aus den Genossenschaftsstrukturen der Molkereibranche. Bei Kaiku werde deshalb der Kauf der Mehrheitsanteile durch Emmi als logische Konsequenz der jahrelangen Zusammenarbeit empfunden. Luzern rede den Basken nicht hinein, beteuert Aristi immer wieder. „Was Emmi wohl am meisten an uns gefällt: Wir sind auf mehreren neuen, schnellwachsenden Märkten vertreten“, kommt Aristi auf die Expansion seines Unternehmens zu sprechen. Kaiku hat mittlerweile sechs Werke weltweit. Drei Viertel der 1400 Beschäftigten sind im Ausland für Kaiku tätig. Die Hälfte des Verkaufsvolumens von 320 Millionen (2012) wird außerhalb Spaniens erzielt. Dazu hat Kaiku eigene Tochter-Marken ins Leben gerufen. Die Wichtigste ist Surlat in Chile. Hier wird in zwei Werken die ganze Palette von Grundprodukten bis hin zu den Gesundheitstrinks und selbst Käse hergestellt. Surlat verarbeitet pro Jahr 150 Millionen Liter Milch. In Pamplona sind es gerade einmal 40 Millionen.

Doch das Kronjuwel der Basken ist zweifelsohne Vitalait in Tunesien. Vitalait ist die Nummer 2 auf dem Markt des nordafrikanischen Landes. Bei der Nummer 1 ist auch Tunesien keine Ausnahme. Für das Unternehmen in der zentraltunesischen Stadt Mahdia war Kaiku in den vergangenen fünf Jahren, das was Emmi für Kaiku war, Berater, Technologielieferant und Investor.

Dank dieser Zusammenarbeit und der Unterstützung durch die deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) wurde aus Vitalait – die einst nur Milch, Butter und herkömmlichen Joghurt im Angebot hatte – ein modernes Unternehmen mit breitester Produktpalette. Vitalait baute die Produkt- und Marktforschung aus, verbesserte die Marketing- und Kommunikationsstrategie. Auf dem Plan für die nahe Zukunft stehen allkerlei Produkte, die mit Zusatzstoffen, von Vitaminen, über Calcium, bis hin zu Omega 3 angereichert werden sollen.

Nur knapp ein Jahr nach der Revolution, die den tunesischen Diktator Ben Ali stürzte, wagte Kaiku den Schritt und übernahm im Dezember 2011 45 Prozent bei Vitalait und hält die Mehrheit im Vorstand. Vitalait streckt die Fühler in die Nachbarländer Algerien, Libyen und Marokko aus. Mittelfristig will die Marke in ganz Nordafrika wachsen.

Das passt ganz in das Konzept von Kaiku. „Wir werden uns weiter internationalisieren. Wer wachsen will, hat überhaupt keine andere Wahl“, bekräftigt Aristi. Zuhause wird die Hauptanstrengung weiterhin der Innovation der guten alten Milch gelten. Dabei scheint der Fantasie der Basken keine Grenzen gesetzt zu sein. In Pamplona läuft das neueste Kaiku-Produkt vom Band. Eine weitere Variante des Cholesterinsenkers Benecol, ohne Zucker und ohne Lactose, in allerlei Geschmacksrichtungen bedient die Nische in der Nische.
fin

Was bisher geschah: