© 2012 Reiner Wandler

Spanien doht Verramschung

Die Ratingagentur Standard&Poor’s (S&P) hat Spanien aufgegeben. Sie stufte die Kreditwürdigkeit des Landes gestern um zwei Stufen, von BBB+ auf BBB-, ab. Damit ist Spanien nur noch einen Schritt vom sogenannten Ramschstatus entfernt. Käme es dazu, würden Darlehen an Spanien als „hochspekulativ“ gelten. Der spanische Staat, die hochverschuldeten Regionen, aber auch die Wirtschaft des Landes wären damit endgültig von den Finanzmärkten abgeschnitten.

Kampagne des spanischen Roten Kreuzes
 
Zur Begründung führt S&P an, dass Spaniens Wirtschaft 2013 nicht die prophezeiten 0,5 Prozent schrumpfen wird, sondern bis zu 1,4 Prozent. Der Ende September für 2013 vorgestellte Haushalt ist damit obsolet, bevor er überhaupt durchs Parlament gegangen ist. „Spanien durchlebt eine starke wirtschaftliche Rezession, die zu weiterem sozialen Unmut und zu weiteren Spannungen zwischen der Zentralregierung und den regionalen Regierungen führen kann“, verweist die Agentur auf die zunehmenden Demonstrationen und den Ruf nach Unabhängigkeit der Nord-Ost-Region Katalonien.
Alle warten auf die nächste Abwertung. Denn bei Moody’s ist Spanien seit Frühsommer bereits dort, wo S&P das Land jetzt angesiedelt hat. Eine Abstufung auf Ramschniveau droht noch für diesen Monat. Und bei der dritten Agentur im Bunde, bei Fitch, ist Spanien seit August nur drei Stufen vom Ramsch entfernt, „Tendenz negativ“.
Die Abstufung durch S&P ist nicht die erste schlechte Nachricht in dieser Woche für die konservative Regierung von Mariano Rajoy. Der Internationale Währungsfond (IWF) veröffentlichte zu Wochenbeginn einen Bericht, nachdem Spanien erst 2017 die geforderten drei Prozent des Haushaltsdefizits erfüllen könne. Geplant ist dies eigentlich für 2014. Insgesamt prognostiziert der IWF Spanien mehr als zehn Jahre Krise. Der IWF befürchtet gar einen Risikozuschlag von 750 Punkte für die spanischen Staatsanleihen. Damit würde die Finanzierung 7,5 Prozent über der von Deutschland liegen. Das ist nicht einmal kurzfristig tragbar. Bereits für den Haushalt 2013 sind 38 Milliarden Euro für Zinszahlungen eingeplant. Das ist mehr, als alle Ministerien zusammen zur Verfügung haben.
Eigentlich wollte die Europäische Zentralbank (EZB) gerade diesen Zinsdruck von Spanien und auch vom nächsten europäischen Opfer der Finanzmärkte, Italien, nehmen, in dem sie Staatsanleihen der beiden Länder aufkauft. Nur, damit dies geschieht, müsste der Antragsteller unter den Rettungsschirm schlüpfen. Dies war ein Zugeständnis an die Bundesregierung in Berlin und an die anderen Länder, die noch immer mit einem AAA die höchste Vertrauenswürdigkeit auf den Finanzmärkten genießen.
Eigentlich hoffte Madrid darauf, dass ein Eingreifen der EZB ein Gesuch an den Rettungsschirm verhindern könnte. Denn mit niedrigeren Zinsen würde die Haushaltsrechnungen aufgehen. Am Sparwillen fehlt es schließlich nicht. Die Regierung Rajoy zögert deshalb. Und aus Berlin kommt von Wirtschaftsminister Wolfgang Schäuble das Signal abzuwarten. Die EZB-Maßnahme ist gescheitert, bevor sie überhaupt zu Anwendung kam.
Auch das Mehr an Europa, das für Januar versprochen wurde, scheitert an der Haltung Berlins. Die Bankenunion, die – so hofft Spanien – eine direkte Hilfe Europas an angeschlagene Finanzinstitute ermöglicht, wird es ersteinmal nicht geben. S&P verweist im Bericht zu Spanien ausdrücklich auf die Uneinigkeit der europäischen Regierungen, wenn es darum geht die Probleme des Euros anzugehen.
Bei den Sparmaßnahmen geht es längst ans Eingemachte. In Madrid fahren 13 Prozent weniger U-Bahn-Züge als bisher, im gesamten Bildungsbereich wurden mehr als 40.000 Stellen abgebaut, die Arbeitslosigkeit steigt unaufhörlich in Richtung sieben Millionen und erstmals in der Geschichte Spaniens, hat das Rote Kreuz um Lebensmittelspenden „für Menschen in unserem Land“ gebeten. 300.000 Spanier leiden laut der internationalen Hilfsorganisation Hunger.

Was bisher geschah: